Sein kleiner Friede, auf einem Hügel nur wenig im Abseits, in nicht einsamer Höh, von Sturm und Kälte des Lebens jederzeit angreifbar.
Mittwoch, 17. November 2010
Ein Ringträger ohne Finger
Ein Ringträger ohne Finger
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The Notiz
Das Live und Jetzt der einzige Ausweg aus der Last der Geschichte
Das Live und Jetzt der einzige Ausweg aus der Last der Geschichte, der Überlieferung, der Tradition des bereits Geschaffenen. All dies sollte Lehrstoff sein und Anregung zu aktivem Tun. Kniefall und Erstarrung sind erlaubt, aber nicht notwendig und in dauerhafter Form unzulässig.
Montag, 15. November 2010
Morgenstimmung, ein ruhiges Zimmer
Morgenstimmung, ein ruhiges Zimmer. Ein Mann sitzt am Fenster, die Beine übereinander geschlagen, auf einem schmalen Lesesessel, auf dem Schoß ein Buch. Er hat sich nach links zur Seite gewandt, sieht aus dem Fenster. Dort scheint, noch tiefstehend, zwischen roten Himmelsstreifen, die Sonne herein, rechts am Fenster hängt taubedeckt ein Spinnennetz, darin wiederum zittert ein welkes Blatt.
Subtext: "12. Oktober, Morgenstimmung, das Spinnennetz rechts unten am Fenster noch taubedeckt, darinnen, zitternd, ein welkes Blatt."
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Die Jahreszeiten
Schreiben ohne Ausrufezeichen
Schreiben ohne Ausrufezeichen.
Um den Flugblattverteiler
Ab und an nun also doch Lyrik. Allein ihrer zahlenmäßigen Stärke wegen gehörten die Gedichte ja viel stärker in diese Rückschau auf zehn Jahre strebendes Bemühn, doch es wird ("versprochen") bei Krümeln aus dem Fundus bleiben:
Um den Flugblattverteiler
entstand eine Lücke
im Menschenstrom
Am Patientenbett
Am Patientenbett:
"Was, Pariser?"
"Nein, Parese!"
Sonntag, 14. November 2010
Das Ende des Hoja Ramirez
Das Ende des Hoja Ramirez
live aus dem Cafe Billabong in Rüdesheim am Rhein
Es ist Sonntagnachmittag. Wir befinden uns im Cafe. Durch die großen, an den Rändern mit Jugendstilschnörkeln verklebten Fenstern, sehen wir auf eine nasse Kopfsteinpflastergasse, auf der von Zeit zu Zeit verfrorene Passanten jeglicher Art und Fasson vorübermarschieren.
Aus einigen Plastiklautsprechern, die an den Wänden herumhängen tönt unaufdringliche Weltmusik mit Didgeridoos, einem Sitar-Orchester, klopfenden Holzstöckchen und einem immer wieder raunend einsetzenden Schamanen. Die wenigen Besucher führen verhaltene Gespräche und werfen gelegentlich Blicke auf die noch verhangene Bühne.
Ein schweigender Gast an einem der vorderen Tische liest in einem gefältelten Flyer neben einer Anzeige für den Waschsalon Bornemann in Rüdesheim für sich folgenden Text:
Cafe Billabong – Wochentheater Nr. 73
sponsored by Tourismusverband Rüdesheim
Das Ende des Hoja Ramirez
(Text und Regie: Jochen Sprenzel)
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Hoja Ramirez ist Billionär. Er ist der reichste und mieseste Mann der Welt. Doch das ist ihm nicht genug. Mit dem Teufel schließt er einen Pakt, der das Ziel hat, Hoja alles Geld der Welt zu beschaffen. Der Preis dafür ist hoch. Hoja soll das Geld mit seiner Seele bezahlen…
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Der Zuschauer legt den Flyer weg und trinkt einen Schluck Pils. Der Vorhang geht auf, das Saallicht entschwindet, Spots fliegen an, der Hauptdarsteller, bereits in Bühnenverkleidung, tritt hinter dem Vorhang hervor und wendet sich mit gewählten Worten ans Publikum:
"Meine verehrten Damen und Herren, ich darf sie sehr herzlich heute hier im Cafe Billabong begrüßen und mich im Namen unseres gesamten Ensembles für ihre werte Anwesenheit bedanken. (kurzer Applaus)
Vielleicht darf ich ihnen die Mitwirkenden kurz vorstellen. Da wäre zuerst einmal meine Frau Martina als Darstellerin des Chorus und des Sekretärs Johann, (seine Frau tritt kurz vor, verbeugt sich eilig vor dem klatschenden Publikum und läuft hinter den schützenden Bühnenvorhang wieder zurück) dann unseren Hans Kumpf als diabolische Sonja Zienam und als Albert Einstein, (Kumpf steckt seinen weiblich geschminkten Kopf hinter dem Vorhang hervor, verbeugt den sichtbaren, wie abgeschnitten wirkenden Teil seines Körpers und zieht sich wieder zurück, erneutes Klatschen), und schließlich meine Wenigkeit, Jochen Sprenzel, in der Rolle des Hoja Ramirez."
Sprenzel verbeugt sich zum Schlussapplaus, die Spots verlöschen, einige Zeit vergeht in erwartender Stille. Eine knappe halbe Minute später fliegen die Spots wieder an und die Handlung beginnt.
1. Akt
Hoja Ramirez, dunkelhaarig und schnauzbärtig, läuft nervös in seinem Wohnzimmer hin und her. Die angedeutete Einrichtung ist superschick, durch ein Fenster zu sehen: einige der rosa Wolkenkratzer Miamis, dahinter ein blitzblanker blauer Himmel, mitten darin, hoch am Mittag, die Sonne.
Auftritt Chorus mit Leier und billigen Turnschuhen.
" Seht ihr ihn laufen,
Hoja Ramirez, der Welt reichsten Mann!
Lockenumkränzt seine Stirne,
wolkenumkränzt sein Gedanke!
Und, oh, wie die Welt erzittert
vor seinem gnadenlos miesen Charakter!"
Chorus ab.
Ramirez
"Geld, Geld, alles was mich interessiert, hat mit Geld zu tun, wie ich's kriegen kann, wie ich noch mehr kriegen kann, wie ich's nicht mehr herzugeben brauch. Oh, Mann, wenn ich nur dran denk, was ich alles schon verdient hab, über ne Billion, ich bin verdammt nochmal der reichste Mann der Welt, (geht kurz in die Knie und ballt die Faust) yeah!
Aber, und dieses Aber ist natürlich wichtig, es gibt noch viel mehr davon auf diesem Planeten. Haufenweise liegen die Moneten auf der Straße und in den Häusern rum. Ich brauch sie mir nur zu holen. Und wenn ich sie mir nicht hole, dann holen sie sich die anderen. Ein einfacher Zusammenhang. Und mehr als die andern zu haben, das ist doch das Allerwichtigste. Wer am meisten hat, zählt am meisten, und wer am meisten zählt, gilt am besten. Das sind die Regeln. Und je mehr, desto besser. Dafür ist nicht nur mir jedes Mittel recht. Mord oder Totschlag? Für mich kein Problem, Hauptsache, ich krieg noch mehr Geld in mein Säckel.
Und die Verfolger sind mir ganz schön auf den Fersen, der Kühnemann-Clan in Europa, Wo mit seinen Leuten in Asien, die kreuzen alle schon um die erste Billion rum, die kommen mir verdammt noch mal viel zu nahe, und grade jetzt stagnieren bei mir die Geschäfte. (wird nachdenklich) Ich habe Freunde, gute Freunde, nicht ohne Einfluss, ganz und gar nicht ohne Einfluss, die sehen mich seit einiger Zeit schon schief an, wenn die Sprache auf die Konkurrenz kommt. So geht das nicht weiter! So geht das nicht weiter, Leute!
(noch nachdenklicher) Ich würd wirklich alles tun, damit ich an noch mehr Kohle komm, echt alles.
Ich mein, hier geht's nicht um Verhältnismäßigkeit, der eine kriegt ne Mark, der andre ne Billion, ich hab mir meine Kohle auch verdient, aber hier auf Erden ist Geld einfach das einzig Wahre, und je mehr ich davon krieg desto besser.
Und dann, was wäre, wenn ich weniger hätte. Wer weniger hat, ist ein Versager, ist kein Glückskind mehr, der Vater mag ihn nicht mehr..."
Steht auf, lehnt sich feierlich an die linke Zimmerwand.
An der rechten Zimmerwand entsteht ein Rauchwolke, aus welcher nun Sonja Zienam, der Action-Star, in einem todschicken Abendkleid tritt. Lachen und Applaus im Publikum.
Sonja (erotisch)
Hallo, Hoja.
Ramirez
Sonja Zienam, der Actionstar! Wie kommst du denn hierher?
Sonja
Das spielt keine Rolle, Hoja. Dass ich als Sonja Zienam auftrete, soll dir nur die Entscheidung erleichtern. Wer sich hinter der schicken Sonja versteckt, kannst du dir ja denken.
Ramirez
Ich versteh überhaupt nichts.
Sonja
Soll ich deutlicher werden?
Unheimliche Musik, eine singende Säge.
Sonja macht sich mit den Fingern zwei Hörner auf dem Kopf, Hoja hält sich schmerzverzerrt den Bauch.
Ramirez
…Raaargh!
Sonja
Genug?
Ramirez (schmerzverzerrt)
O-kay, was - willst - du?
Sonja
Ich mache dir ein Angebot, Hoja. Wenn ich dich mal frei zitieren darf, dann hast du vorhin gesagt, du würdest so ziemlich alles tun, damit du an noch mehr Geld kommst.
Ramirez
Das kann schon sein…
Sonja
Gut, mein Angebot dazu lautet folgendermaßen: Wenn du eines Tages mal stirbst, dann krieg ich das von dir, was man gemeinhin Seele nennt und nicht weniger, dafür besorg ich dir innerhalb eines Jahres achteinhalb Billiarden. Das bedeutet faktisch die Herrschaft über die Welt.
Ramirez
Warte mal, momentan sind weltweit ungefähr elf Billiarden Dollar in Umlauf, und so wie ich das sehe, sind's in einem Jahr wahrscheinlich so um die zwölf. Wieso dann nur achteinhalb?
Sonja
Ganz einfach, Hoja. Weil einer allein nicht alles haben kann. Man muss auch dem Rest der Menschheit was lassen, gewissen Kreisen und Typen zumindest. Die Leute werden leicht nervös.
Ramirez
Du willst mich also anschmieren, stimmt's?
Sonja
Hoja, wenn du mich fragst, dann ist das, was dir am meisten Spaß macht, die Möglichkeit, möglichst vielen Menschen deinen Willen aufzudrücken. Und mit viereinhalb Bille kannst du das ohne weiteres, und zwar bei jedem.
Außerdem, keiner wird dir ein besseres Angebot machen.
Ramirez
Du willst mich anschmieren, stimmt's!?
Sonja
Hoja, von mir aus könntest du auch fünfzehn Bille haben, aber je mehr Geld du hast, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dich irgend jemand einfach mal umlegt. Und glaub mir eins: Mit achteinhalb Billiarden beruhigst du die Leute und kannst die Puppen trotzdem tanzen lassen.
Ramirez
Okay, ich bin ja nicht blöd, ich merk schon, dein Angebot hat was. Schlagartig superreich, was? Und alles, was du verlangst, ist meine Seele, wenn ich mal von hinnen geh.
Sonja
Genau so ist es, Hoja.
Ramirez
Das ist das Lächerlichste, was ich je gehört hab.
Sonja
Indes, mehr will ich nicht.
Ramirez
Na gut, wo muss ich unterschreiben?
Sonja
Moment. Steck einfach einen Finger in den Signierautomaten da.
Ramirez
(steckt einen Finger in Sonjas Signierautomaten) Autsch. Was war das denn?
Sonja
Blut abzapfen. Ganz traditionell.
Ramirez
Na schön. Ist die Sache damit besiegelt?
Sonja
Bombenfest, Hoja.
Ramirez
Und in einem Jahr hab ich die achteinhalb Bille?
Sonja nickt.
Ramirez
Und wenn nicht?
Sonja
Dann ist unser Vertrag hinfällig.
Licht aus. Sonja entschwindet.
2. Akt
Dasselbe Zimmer. Hoja liegt mit grauen Haaren im Bett.
Auftritt Chorus.
Floridas Sterne in ihrem Zuge
sind weiter geschritten,
haben in ihrer Kreisbahn sich weiter gedreht,
hunderte und aberhunderte, vieltausende Male,
sind älter und schließlich alt geworden,
ganz so wie Hoja Ramirez!
Wieviel Zeit mag vergangen sein?
Ich trag immer noch Turnschuh auf jeden Fall,
und Hoja Ramirez ist grau geworden.
Ja - ja, die Geißel der Menscheit,
der heimliche Bestimmer des Erdengeschehens,
der Einmischer in jedes Einzelnen Leben
naht sich dem Containerschiff, dem Kutter,
der Barke, dem Nachen, dem kleinen Kahn,
der ihn hinüberschafft über den dunkelnden Fluss
in die Gefilde der Schattenwelt,
wo Kochtöpfe über brennenden Städten hängen,
wo keine Freude am Geld mehr,
sondern nur furchtbarste Reue regiert.
Hoja zieht an einem brokatenem Klingelband über seinem Bett, ein Gong ertönt, das Klingelband reißt oben irgendwo ab und fällt herunter, Amüsement im Publikum.
Der Sekretär erscheint.
Mein Herr?
Ramirez
Johann, mir geht's nicht gut, gibt's denn keine andere Möglichkeit?
Sekretär
Jedes ihrer gleichzeitig erkrankten und austauschbaren Körperteile ist bereits ausgetauscht, Herr Ramirez. Mehr kann die Medizin derzeit nicht tun, Fortschritte sind erst in einigen Jahren zu erwarten.
Ramirez
Das gibt's doch nicht! Hol mir Einstein.
Sekretär
Sehr wohl, Herr Ramirez.
Sekretär ab. Auftritt Einstein.
Einstein
(mit abwechselnd Münchner und Schweizer Akzent) Herr Ramirez?
Ramirez
Mir geht's nicht gut, Einstein, kann man denn gar nichts tun?
Einstein
Wir arbeiten noch immer an der umfassenden Körper- und Geist-Therapie, Herr Ramirez, und es sieht wirklich gut aus im Moment, die Computerimplantate sind schon fast fertig entwickelt, aber ich will ehrlich sein, Herr Ramirez, hernehmen können wir's wohl frühestens in fünf Jahren oder so.
Ramirez
Hören sie, Einstein, ich geb ihnen 5 Billiarden, und die Schweiz dazu, wenn sie's dann früher schaffen. Ich geb ihnen noch mehr, wenn sie wollen.
Einstein
Vielen Dank, Herr Ramirez, ich und mein Team werden unser Bestes tun. Ich muss ihnen aber leider auch mitteilen, dass wir bereits mit höchster Geschwindigkeit arbeiten. Es geht kaum mehr schneller.
Ramirez
Versuchen sie alles, Einstein!
Einstein
Jawohl, Herr Ramirez
Einstein ab.
Ramirez
Mannomann, dreißig Billiarden hab ich jetzt, und an einer Krankheit soll's scheitern. Mensch, mir geht's wirklich nicht gut.
(hustet)
3. Akt
Hoja immer noch im Bett. Halbdunkel. Chorus aus dem Off.
Hoja Ramirez liegt im Sterben. Sehen sie ihn sich an, meine Damen und Herren, eine lappige Struktur aus Knochen, Fleisch und Bindegewebe, 31 Billiarden schwer und dem Teufel versprochen.
Hoja zieht mühsam ein Handy unter der Bettdecke hervor und wählt.
Ramirez
Gibt's-was-Neues,-Ein-stein?
Einstein
(aus dem Off, knackend, verzerrt) Leider nein, Herr Ramirez. Aber wir arbeiten unter Hochdruck.
Ramirez legt auf.
Ramirez
Ich-will-nicht-(stirbt)
Eine unsichtbare Tür an der Seitenwand schiebt sich auf, rotes Licht dringt aus dem Hintergrund, aus der Küche des Cafes Schmerzensschreie von Männern und Frauen. Ramirez' Bett setzt sich in Bewegung und fährt zielstrebig auf die Öffnung zu. Langsam verschwindet es darin. Ramirez wacht auf.
Halt, ich will mich einfrieren lassen!
Eine Stimme
Zu spät, HA-HA-HA-HAA!
Die Öffnung hat das Bett verschluckt und schließt sich wieder. Alle Lichter gehen aus.
Eine Zeitlang herrscht Stille.
Endlich fliegt die Deckenbeleuchtung wieder an, die Darsteller kommen auf die Bühne, nehmen sich bei den Händen und verbeugen sich lächelnd. Das Publikum, das sich aus Weintrinkern, zwei amerikanischen Touristen und, alleinstehend oder als Pärchen, diversen mittelalten Paukern zusammensetzt, applaudiert brav und teilweise mit Begeisterung.
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