Samstag, 11. September 2010

Pony-Raimund

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Pony-Raimund


          
Es ist ein typischer Samstag-Vormittag, und Raimund kümmert sich, so wie meistens in seiner freien Zeit, oben auf der Koppel um seine falbe Ponystute "Young Lady".
Jeder, der von Raimund schon einmal gehört hat, weiß, daß er der größte Wildwest-Fan weit und breit ist. Auch heute sitzt auf seinem Kopf sein Original-Cowboyhut und klappern unterhalb seiner Cowboy-Jeans an seinen Original-Lederstiefeln seine Original-Cowboy-Sporen, die er im USA-Westernshop erstanden hat. Weil Herbst ist, und die Tage langsam kühler werden, hat Raimund auch schon seinen Original-Wildwest-Ledermantel angezogen. Der schützt ihn sowohl vor Kälte als auch vor Feuchtigkeit und sieht obendrein noch cool aus.
Mit völliger Selbstverständlichkeit sattelt Raimund Young Lady, zieht fachmännisch den Ledergurt um den Bauch des Tieres fest, legt das Geschirr um den Hals des Ponys und kratzt sich danach in aller Seelenruhe den Schnauzbart. Ein Fremder, der Raimund so bei der Arbeit zusieht, könnte gar nicht anders, als anzunehmen, hier einen echten, mit allen Wassern des Lebens gewaschenen Cowboy vor sich zu haben.
Raimund hat sich gerade elegant und ohne irgendwo hängen zu bleiben in den Sattel geschwungen, als in der Ferne auf einmal die Sirenen losheulen. Allerdings heulen samstags die Sirenen immer irgendwann los, es ist der wöchentliche Probealarm im Landkreis. Deshalb achtet Raimund auf das Getute und Geblase auch gar nicht, und gibt statt dessen Young Lady gefühlvoll die Sporen.
Nach ein paar Minuten, Raimund reitet auf der Koppel gerade im Kreis herum, nähert sich sein Nachbar, der Bauer Bepp, panisch mit dem Traktor und schreit im Vorbeifahren, heute sei wirklich was passiert, Raimund solle sich aus dem Staub machen, und zwar so schnell er nur könne.
Raimund reagiert sofort. Kopfnickend und indem er noch schnell mit dem ausgestreckten Zeigefinger gegen die Krempe seines Cowboyhuts klopft, bedankt er sich für die Info, dann treibt er Young Lady bereits in die Scheune, schaufelt dem Pony Futter für ein paar Tage in die Krippe, läßt ein paar Wannen mit Trinkwasser vollaufen, schließt die beiden Fensterläden und verriegelt das große Tor. Anschließend rast er mit seinem Moped nach Hause, wo seine Mutter und seine Frau ihn verängstigt erwarten, und sperrt sich mit den beiden in den Keller. Dort fällt ihm ein, daß er Young Lady vielleicht doch besser hätte laufen lassen sollen und rennt wieder nach oben.
Klagend versuchen die Frauen, ihn aufzuhalten, doch Raimund ist in Gedanken schon wieder voll in Aktion. Er startet sein Moped und braust den kleinen Hügel hinan, wo oben Young Ladys Scheune schon wieder in Sichtweite kommt. Sekunden später schleudert dann eine Bombe, deren Wirkung die Vorstellungskraft Raimunds und noch viel mehr diejenige Young Ladys übersteigt, die man möglicherweise allein noch mit der Sprenggröße "Quadriga-Tonnen" halbwegs festzuhalten vermag, die Scheune, Raimund, der Berg, ja, mehr oder weniger den ganzen Kontinent aus ihrer jeweiligen körperlichen, weltlichen, irdischen Existenz.