Dekaden scheint's her zu sein. Apple, die Kanadier, Chinesen und Koreaner waren im Bewusstsein noch fern, der Autor telefonierte damals noch, wenn überhaupt, von Telefonzellen aus, und es lebte sich auch.
Aus Timo Schmidt-Boelkes Notizheften:
Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Handys
Ein prustender, dicker Deutscher fliegt unter Marschmusik um die Welt.
Ein spleeniger Engländer gabelt pfeiferauchend in Göteborg zwei blonde Ericsson-Hostessen auf.
Benny Hill verschwindet als Feuerwehrhauptmann mit seiner langbeinigen Assistentin in den Niederungen des Flughafen-Towers.
Ein Amerikaner, ganz Cowboy in Jeans, landet sein Handy in einem Schwesternkonvent in der Camargue. Er versumpft weinselig in hochprozentigem Cidre.
Die Japaner besitzen zwar die beste technische Ausrüstung, doch sie verpassen durch ihr andauerndes Videospielen den Start und werden nach einigen Stunden schließlich disqualifiziert.
Die australische Teilnehmerin, eine hellschwarz gebräunte Strandschönheit mit Oakleybrille, Waschbrettbauch und neongrünem Baywatchbikini, verliebt sich in den Vertreter Frankreichs, einem adeligen Filou mit dreißig Kindern. Sie reisen noch am selben Tag in seinen Stadtpalast an der Place Vendome, wo sie unter anderem sofort ihr Training zur Miss World Aerobic aufnimmt.
Der russische Teilnehmer wird von einer gewaltigen Abschussrampe aus versehentlich ins All geschossen, wo er fortan mit lustigem Sputnik-Piepsen die Erde umrundet, und zur fortwährenden Erheiterung des Publikums immer wieder vergeblich probiert, zur Erde zurückzukehren und in den Wettbewerb wieder einzusteigen. (Zentrale landet immer wieder bei der betrunkenen Putzfrau eines Professors in Helsinki)
Tarzan ist gerade im Urwald unterwegs, als er wegen seiner Teilnahmeberechtigung auf seinem Handy angerufen wird. Noch während er über das Startgeld verhandelt, knallt er gegen einen Baum und bricht sich einige Rippen. weshalb er die Teilnahme absagen muss. Allerdings bleibt er, während er von seinen zahllosen Tierfreunden auf erstaunlich hilfsbereite und menschliche Weise (Tantor etwa verkleidet sich als Kellner, ein Affe als witzige Animierdame) versorgt wird, über seinen Satellitenfernseher stets über den Fortgang des Wettbewerbs informiert.
Der teilnehmende Eskimo versteht die Einladung falsch, glaubt an einem Wettfischen teilzunehmen, fischt einen immer größeren Berg Fische, und fragt sich jedes Mal wieder, wo denn nur seine Konkurrenten bleiben.
Die intrigante ungarische Sexbombe mit ihren enormen Stöckelschuhen bricht sich ein Bein, und muss ohne englischen Baron zu ihrer Großmutter in die Puszta zurückkehren, wo sie mit ihrem verwöhnten Gehabe den Dienstboten, die sie nur allzu gut kennen, sofort wieder auf die Nerven geht.
Ein Schweizer mit exakt geschnittenem Schnäuzlibart landet dank seines Schweizer Kompasses punktgenau am Zielort, dem Flugplatz von Rejkyavik, wo er freundlich von seinem isländischen Mitkonkurrenten empfangen wird, einem muskelbepackten 3 Meter-Hünen, der die Strecke geschwommen ist.
Einige Wochen nach den Siegesfeierlichkeiten taucht der indische Teilnehmer, der zu Fuß angereist war, auf und wird von Benny Hill, den er gerade beim Kiffen unterbrochen hat, über seine Verspätung informiert. Mit einem befremdlichen, doch irgendwie weise wirkenden Lächeln macht er sich wieder auf den Heimweg.
Unter dem Lachen und Toben des internationalen Publikums senkt sich der Kinovorhang, und alle Nationalitäten fallen sich in die Arme. Kurz darauf allerdings entwickelt sich bereits eine heftige Schlägerei, angezettelt natürlich von den Deutschen, die selbst nach Jahrtausenden auf Marschmusik im Abspann bestehen.