Donnerstag, 11. August 2011

Vor Rosenstocks Hütte

      
Early work, verfasst etwa anno '97, gut möglich, dass des Autors Pseudonym von dessen Neigung für diese Erzählung herrührt.



Vor Rosenstocks Hütte

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es mag etwa vier Wochen her sein, als es in den USA zu einem Vorfall kam, dessen Folgen für die weitere Entwicklung und Geschichte der Menschheit nicht absehbar sind.
Aus diesem Grunde, und da bis dato weder der Vorfall selbst noch dessen Hintergründe groß bekannt sind, bitte ich Sie, mir zu gestatten, Ihnen an dieser Stelle und in aller Kürze über die damaligen Ereignisse  einen Bericht zu geben.
Als einziger menschlicher Beteiligter, in Vertretung der Menschheit gewissermaßen, nahm an jener unerhörten Begebenheit vor vier Wochen ein gewisser Dr. Fischer teil, ein etwas kurzbeiniger, brilletragender und durch sein geselliges Wesen in weitem Umkreis bekannter Chirurg.
Die Stadt ist Dr. Fischers eigentliches Wirkungsgebiet. Er wohnt dort mit seiner Familie, dort arbeitet er, und dort trifft er sich mit seinen Freunden und Bekannten. Das öffentliche Ansehen Dr. Fischers in der Stadt könnte nicht größer sein.
Wird Fischer der Trubel dort indes zuviel, was bei seinen zahllosen gesellschaftlichen Verpflichtungen nicht eben selten vorkommt, zieht er sich gerne zurück, in die weiten Wälder und Fluren des Umlandes, wo kein Mensch ihn findet, wo er einsam umherstreift, und wo er nach seinen Wanderungen mit Vorliebe Pausen in der Hütte seines Vorgesetzten Rosenstock einlegt.
Als Weltreisender, Astronom, Erbe eines Milliardenvermögens, Universitätsdozent, amtierender Staatsmeister im Gewichtheben und Professor für Gefäßchirurgie und Arzneimittel-Lehre ist Rosenstock ein einzigartiges menschliches Phänomen. Leider jedoch spielt dieser außergewöhnliche Mann keine Rolle in diesem Bericht, außer der, dass ihm eben jene Hütte gehört, vor der jene Ereignisse rund um Dr. Fischer und seinen bemerkenswerten Besucher sich abspielten.
Rosenstock nimmt das alte und morsche Holzbauwerk eigentlich nie her, allein, was das Thema Hütten betrifft, gehören ihm noch zwanzig andere, und so war es auch an diesem Samstag vor etwa vier Wochen nicht Rosenstock, sondern neuerlich sein fünfter Assistent Fischer, der sich auf der Hüttenveranda eingefunden hatte, um einen gemütlichen Samstagnachmittag in aller Ruhe ausklingen zu lassen.
Es wurde Abend. Dr. Fischer saß gerade, so wie er es gerne tat, auf der breiten Holzbank, den Rücken an der Wand, die Füße auf dem vom Wetter schon ziemlich mitgenommenen Klapptisch ausgestreckt und eine Flasche Bier in der Hand.
Fischer fühlte sich großartig. Es war heiß, es war Sommer, seine Frau saß im Zug zu ihrer Schwester und er hatte den gesamten Sportteil der Zeitung noch vor sich. es war alles so, wie er es haben wollte.
Vom Bier schon leicht beduselt blickte er in den Abendhimmel. Die niedergehende Sonne färbte die Wolken feierlich rot wie auf alten Gemälden. Im Kontrast dazu leuchtete die obere Hälfte des der Hütte in ein paar hundert Metern Entfernung gegenüberliegenden Waldes, bronzefarben. Kein Geräusch, kein fahrendes Auto, kein lärmender Lastwagen störte dieses pastorale Idyll.
Fischer kappte die nächste Flasche. Er nahm einen tiefen Schluck daraus, ließ den Blick nochmal in die Ferne schweifen, sah kurz in die Zeitung, trank noch ein paar Schluck, und sank immer mehr in einen Zustand umfassendster und behaglichster Schläfrigkeit.
Tiefer und tiefer rutschte Dr. Fischers Kinn, und es dauerte keine fünf Minuten, da war er endlich in süßem Schlummer versunken.
Weit im Westen versank derweil auch die Sonne endgültig, und ihre letzten Strahlen beschienen die Wipfel des mächtigen Nadelwaldes, an dessen Saum Rosenstocks Hütte einsam ihren Platz einnahm.
Die große Weide, die vor dem Walde die Hütte umgab, verdunkelte sich zusehends und über dem zweiten Wald, auf den die Weide in der Entfernung traf, erschienen am Himmel die ersten Sterne.
Als Dr. Fischer erwachte, herrschte schon dunkle Nacht. Er trank die Bierflasche, die er noch immer in seiner Hand hielt, leer und sah sich um. Die Luft war noch mild, und Fischer entschloss sich, noch ein wenig spazieren zu gehen.
Etwa zwanzig Meter von der Hütte entfernt blieb er stehen und holte ausgiebig Luft. Dann streckte er die Arme wie ein Wasserspringer behutsam zur Seite und fing an, Gymnastik zu treiben. Er beugte sich nach vorn, berührte mit der rechten Hand seinen linken Fuß, dann mit der linken Hand seinen rechten. Er wiederholte die Übung mit schneller werdenden Bewegungen, und bald glichen Dr. Fischers herumfliegende Arme den Flügeln eines wirbelnden Propellers.
Hinter ihm ragte währenddessen der Wald wie ein dunkler Schatten, und über dem tiefschwarzen Himmel lag verstreut die Lichterkette der Sterne.
Fischer beendete die Gymnastik. Tief und befreit durchatmend, warf er einen verträumten Blick zum Himmel. Glitzernd funkelten die Sterne, blinkend zogen Flugzeuge und Satelliten über den Himmel, als plötzlich einer der Satelliten anfing größer zu werden, und Fischer überkam das beklemmende Gefühl, als bewegte das Himmelsobjekt sich geradewegs auf ihn zu.
Wie durch Zauberhand bewegt wuchs der Satellit weiter, und war bald so groß wie der volle und leuchtende Mond.
In dieser Größe etwa verharrte er und schwebte langsam nach Norden. Dort blieb er noch einmal kurz stehen und glitt dann wieder zurück. Beinah schien es so, als habe er die Orientierung verloren.
Dann, nur einen Augenblick später, schoss der Satellit in einer geräuschlosen Bewegung auf die Weide herab und landete höchstens zwanzig Meter von Dr. Fischer entfernt.
Fischer, der vor Schreck völlig erstarrt war, blieb keine andere Wahl, als das Objekt genau zu betrachten. Es hatte weder Fenster noch irgendwelche Konturen, und glich ansonsten einer vollkommenen Kugel. Es war groß wie ein Zweifamilienhaus und strahlte in leuchtendem Beige.
Im Innern der Kugel begann es zu klimpern.
Eine Treppe klappte heraus. Rötliches Licht drang aus der entstandenen Öffnung. Die Treppe sank währenddessen langsam ins Gras und schnappte mit einem leisen Klickgeräusch ein. Ein langgezogener Schatten erschien in der Öffnung, und wie in Zeitlupe trat eine beängstigend fremdartige und irgendwie dennoch leicht menschenähnliche Gestalt heraus.
Allein schon ihre vier langen, ungewöhnlich schlanken Gliedmaßen waren auffällig, doch viel mehr noch fiel Dr. Fischer ihr eigentümlicher, einer am Hals festgeschraubten Glühbirne ähnelnde Kopf ins Auge.
Für einige Momente stand die Erscheinung da, als sei sie erstarrt, dann fing sie an, ihren Kopf zögernd nach links und rechts zu bewegen, so als suchte sie die Umgebung nach etwas Bestimmten ab.
Dr. Fischer bemerkte, dass das Wesen am Kopf keine Augen, sondern zwei flache, schwarze, etwa Handteller-große Scheiben besaß, Sensoren möglicherweise irgendeiner unbekannten und hochtechnisierten Art.
Die Kleidung des Wesens wirkte im Gegensatz zu den beeindruckenden Scheiben-Sensoren auffällig schlicht. Alles, bis hin zu den wie  Cord-Pantoffeln wirkenden Schuhen, war in dunklen Braun-Tönen gehalten, sein Sakko schien durch große Plastik-Knöpfe zusammengehalten, seine Hosenbeine zierten vier sorgfältig gebügelt wirkende Bundfalten.
Da plötzlich schien das Wesen auf etwas aufmerksam zu werden. Ruckartig hielt es in seinen Drehbewegungen inne, und, seine beiden Sensorscheiben fest auf Fischer gerichtet, stieg es langsam die Treppe herab.
Behutsam berührten seine pantoffel-artigen Schuhe das Gras, langsam und mit gemessenen Schritten ging es auf den immer noch wie festgenagelt dastehenden Fischer zu.
Je näher das Wesen Dr. Fischer auf diese Art kam, desto mehr Eigenheiten konnte jener in seinen Gesichtszügen erkennen. Zwei deutliche Falten, die sich von der langen, schmalen Nase des Wesens bis zu den Seiten seines Mundes hinabzogen, erweckten den Eindruck äußerster Vornehmheit. Seltsame, wie Antennen wirkende Stifte bedeckten an Stelle von Haaren sein Haupt und waren korrekt zur Seite gescheitelt.
Endlich, nur noch wenige Meter von Fischer entfernt, blieb es stehen und hob würdevoll seine beiden Hände.
"Friede sei mit dir, Erdenmensch!" rief es.
Zitternd wie Espenlaub versuchte Fischer, dem Wesen die höchste nur mögliche irdische Ehrerbietung zu erweisen, allerdings hatte seine Sprache ihn vollständig verlassen. Er brachte kein Wort heraus.
"Sie sind doch ein Mensch?" fragte das Wesen nach.
"Äh, jaja, äh ja..." gab Dr. Fischer zurück.
Das Wesen fing an zu lächeln. Es war ein freundliches Lächeln, gütig, offen und breit wie das Lächeln eines sehr talentierten Unterhaltungsschauspielers. Fischer erblickte das Lächeln und wurde noch im selben Augenblick lockerer. Auch er trat jetzt auf das Wesen zu.
"Meine Name ist Dr. Fischer, Amerikaner, hallo." sagte er aufgeräumt und reichte dem Wesen zum Gruß seine Hand.
Doch anstatt Fischers Gruß zu erwidern, heulte das Wesen wie entfesselt auf, sprang wild im Kreis herum, machte drei Meter hohe Flops ins Leere und schrie ein paar Mal: "Nicht schon wiieder!!"
Dann plötzlich stand es wieder still. Mit einer unendlich langsamen Bewegung nahm es die schwarzen Scheiben von seinem Kopf und beäugte Fischer mit zusammengekniffenen, blutunterlaufenen, trübblauen Augen. Die Lippen des Wesens wurden schmal.
"Wie viele von euch gibt es denn noch?" fragte es misstrauisch,.
"A-Amerikaner? Na ja, ungefähr 250 Millionen." erklärte Dr. Fischer heiser.
"Scheiße." brummte das Wesen.
Fischer hatte bis dahin immer noch nicht verstanden, worum es dem Wesen eigentlich ging.
"Was soll denn das heißen?" fragte er. "Soweit ich das beurteilen kann, gehören die Amerikaner immer noch zu den besten und zuverlässigsten Leuten auf der Welt!"
"Verdammt." sagte das Wesen und schien jetzt entschieden noch zerknirschter.
Es versank in ein langes Schweigen, während dem es einige Male den Kopf hob und Fischer mit resigniertem Blick musterte.
"Ich wollte euch den Weltfrieden bringen," sagte es schließlich, "aber wenn es um die Amis schon so miserabel steht..."
"Was soll denn das heißen," entfuhr es Fischer noch einmal, "wir wollen doch Frieden, alle Amis wollen den Weltfrieden!"
"Das schien mir aber schon mal anders zu sein." meinte das Wesen.
"Was?"  fragte Fischer verwirrt. "Äh, sie waren schon mal hier?"
"Ja, das war ich, in der Tat." tönte das Wesen. "Vor vierzig eurer Erdenjahre. Damals wollte ich auch den Weltfrieden bringen, aber natürlich traf ich da auch einen Amerikaner." Dazu machte es eine Geste, als wäre es offensichtlich, dass mit so einem aus dem Weltfrieden nichts werden konnte.
"Natürlich wurde dann auch nichts draus." fuhr es fort. "Das erste, was er mich fragte, bevor ich überhaupt was sagen konnte, war, ob ich Kommunist sei. Da sagte ich natürlich ja, wenn auch gemäßigt. Mein Volk wählt schon seit Jahrtausenden die Linken und fährt bestens damit.
Kaum hatte der Mensch das aber gehört, ist er schon los auf mich und hat mir, noch bevor ich noch was sagen konnte, die Sonnenbrille zu Bruch gehauen. Ich hab ihn dann mit ein paar Judo-Hebeln niedergestreckt.
Darauf schrie der Mensch, dass ich das mit einem Amerikaner nicht machen könne. Ich verstand überhaupt nicht, was er eigentlich wollte. Ich fragte ihn, ob denn alle Amerikaner so seien. Da sagte er ja, bis auf die Juden und die Neger. Dann fing ich an, ihm vom Prinzip der Gewaltfreiheit zu erzählen, das bei uns so prima läuft, und wie ich mir das mit dem Weltfrieden vorstellte. Ob der Mensch davon allerdings was kapiert hat, kann ich nicht sagen. Ich hatte noch gar nicht richtig angefangen, da fiel er plötzlich um und blieb wie tot liegen.
Ich lief sofort in mein Schiff zurück und holte meinen Reanimationsroboter. Immerhin war ich gekommen, um der Menschheit zu helfen. Als ich dann wieder rauskam, stand der Mann schon wieder da, als wär nichts passiert, und hielt mir eine Riesenknarre entgegen.
"Sie sind also immer noch Kommunist, was?" fragte er.
"Na klar." sagte ich. "Aus Überzeugung!"
Da hat er losgeballert. Ich hab gerade noch die Kurve gekriegt, aber die Lenkunterstützung hatte er schon erwischt. Als ich wieder heimkam, hätte ich beinah noch unseren Fernsehmond gerammt!"
"Das hört sich ehrlich entsetzlich an." meinte Fischer konfus.
Doch das Wesen schien ihn gar nicht zu hören, denn ohne sein Gerede zu beachten, sprach es weiter.
"Die ganze Mission war ein totaler Fehlschlag, die Reparatur noch gar nicht mit eingerechnet. Euer dussliger Weltfrieden interessiert mich doch überhaupt nicht! Ich hab selber schon genug am Hals. Ich wär sicher nicht nochmal gekommen, wenn meine Frauen nicht meine Casinorechnungen aufgestöbert hätten. Wenn die mal sauer sind, dann bedeutet Widerspruch praktisch Selbstmord. Nicht eher sollte ich nach Hause kommen, ehe ich nicht eine gute Tat getan hatte, haben sie gesagt. Am besten irgendeinem blöden Planeten den Weltfrieden bringen oder so. Also bin ich hier gelandet, auf eurem blöden Popelplaneten, und hab getan, was ich KONNTE. Was kann ich denn dafür, wenn's nicht funktioniert!"
Das Wesen hielt inne und setzte seine schwarzen Scheiben wieder auf. Auf anmutige Art und Weise fing es an, seine Arme hin und her zu schwingen, ganz ähnlich, wie gewisse Schlangen sich Gewässern vorwärts bewegen. Dann räusperte es sich und ließ seine Arme wieder hängen. Schließlich blickte es wortlos über Dr. Fischer hinweg.
"Pla-, Planeten retten, tut ihr so was öfters?" fragte der nach einer Weile, nur um das Gespräch wieder in Gang zu bringen.
"Es gibt da bei uns ne Serie," knurrte das Wesen wie im Zwiegespräch mit sich selbst, "die ist ziemlich erfolgreich. Zum Kotzen erfolgreich!"
Dann sah es wieder über Fischer hinweg, schweigend hin und her wippend wie ein uralter Bluessänger. Es machte keine Anstalten, noch einmal zu reden anzufangen.
"U-, und da werden Planeten gerettet?" fragte Dr. Fischer noch einmal.
"Worauf du Gift nehmen kannst!" keifte das Wesen zurück. "Immer vom gleichen Typen. Und jetzt rate mal, auf wen alle Weiber fliegen, inklusive meiner drei Alten!"
Wütend drohte es Fischer mit der Faust und schien nun gleich völlig durchzudrehen. Doch dann beruhigte es sich wieder.
"Was kann ich denn dafür, wenn's nicht funktioniert."  meinte es gleichmütig und fuhr fort.
"Zum Glück haben meine Frauen noch weniger Ahnung von der Erde als ich. Hören sie sich das mal an:
Ich komm nach der ganzen Pleite also nach Hause. Es ist Nacht. Ich schleich auf Zehenspitzen in die Wohnung, setz mich an den Computer, schnipsel einen Handschlag zwischen mir und dem Präsidenten von Palomart 24 zusammen, lass das Foto ausdrucken und schreib mit Kritzelschrift drunter: Vielen Dank für den Weltfrieden!
Die haben überhaupt nichts gemerkt, sag ich dir!
Bis gestern, als auf einmal diese schwachsinnige Fernsehserie wegen einer Springflut ins Wasser fällt. Zum ersten Mal seit dreihundert Jahren. Und was bringen diese Langweiler vom Fernsehen? Eine Reportage von der Erde mit dem Titel: "Die Erdbewohner, in den letzten hundert Jahren vom Weltfrieden weiter weg denn je." Wenn ich der Erde heute den Weltfrieden nicht bringe, dann kann ich die nächsten hundert Jahre bei den Koalas schlafen, so sieht's aus!"
Der Außerirdische schlug wie zur Bestätigung einige Male mit der Faust auf seinen flache Hand, und sank dann niedergeschlagen ins Gras.
Fischer fasste sich ein Herz, und versuchte ihm zuzusprechen.
"Aber es sind doch nicht alle Menschen so." meinte er. "Und vor allem nicht alle Amerikaner. Und dann leben ja auch nicht nur Amerikaner auf der Erde. Von denen gibt's höchstens dreihundert Millionen, US-Amerikaner, wohlverstanden. Das ist ja nicht mal ein Zwanzigstel der ganzen Erdbevölkerung."
"Das kann ja heiter werden, wenn der Rest noch schlimmer ist." murmelte das Wesen zurück
"Also, die anderen Menschen sind auch okay, wirklich." sagte Fischer.
Das Wesen runzelte seine Stirn wie Krepp-Papier. Es schien ihm kein Wort zu glauben.
Fischer sah es nachdenklich an.
"Mir scheint, du weißt nicht gerade viel von der Erde." sagte er.
"Na ja, ich sah mal ne Tierdokumentation drüber, so vor fünfzig Jahren… - aber preisgekrönt immerhin!"
"Das ist ja nicht gerade viel für den Weltfrieden." meinte Fischer.
Sie verfielen wieder in Schweigen.
Fischer überlegte. Er wollte dem Außerirdischen ein für allemal klar machen, worum es auf der Erde eigentlich ging. Nur so würde er ihn in seinem Vorhaben unterstützen können.
Fischer fing an, dem Wesen die Erde in allen Facetten, die ihm einfielen zu schildern, und es dauerte lang und immer länger, bis er damit zu Ende kam.
Er sprach von den Ländern, den Staaten, dem Meer, von den kalifornischen Wäldern, den Bergen in Colorado, von Florida, dem Taj Mahal und der Oper in Sidney. Er erwähnte die Menschheitsgeschichte, die Unabhängigkeitserklärung, die Abschaffung der Sklaverei. Er zitierte alle Präsidenten, an die er sich erinnern konnte und die Großen der Menschheit von Einstein bis Magic Johnson und Larry Bird. Er erläuterte das Wesen der Politik mit seinen Verwicklungen, die verschiedenen Gesellschaftssysteme, Massenphänomene, Fußball, gutes Essen, die Psychoanalyse, kurzum, er sprach über alles, was ihm in den Sinn kam und was ihm wichtig erschien.
Das Wesen hörte Fischer dabei mit einer Aufmerksamkeit zu, wie er es bei noch keinem Menschen vorher erlebt hatte. Es schien die Informationen förmlich in sich aufzusaugen, und nichts zu vergessen, was er auch nur einmal gesagt hatte. Immer wieder zitierte es ihn aufs Wort genau.
"Und wenn du wirklich Kommunist werden willst" schloss er seinen Vortrag, "kannst du ja immer noch zum Nordpol auswandern."
Es war nun schon Morgen geworden und im Osten begann sich der Horizont blass zu röten. Nachdenklich blickte der Außerirdische in das aufkeimende Licht.
"Ja", sagte er, "ich glaube, ich habe verstanden."
Er sah auf seine Armbanduhr und zuckte plötzlich zusammen.
"Was, schon so spät!" erschrak er. "Und meine 36 Schwägerinnen kommen zum Abendessen. Wenn ich da nicht pünktlich erscheine, erschlagen mich meine Frauen geradewegs!"
Er sprang auf. Wie im Fieber überlegte er jetzt. Dann schnippte er mit den Fingern.
"Ich hab's!" rief er begeistert aus. "Das ist die Lösung!"
Er schüttelte Fischer noch schnell die Hand und lief federnd zum Raumschiff zurück.
"Aber wie denn..?" rief Fischer dem Wesen hinterher.
"Wart's nur ab!" hörte er es noch aus dem Raumschiff rufen, bevor die Treppe sich automatisch schloss.
Sekunden später war die Kugel schon wieder hoch in der Luft und verschwunden.
Dr. Fischer hat seitdem nichts mehr gehört von dem seltsamen Außerirdischen, aber in den Nachrichten sprach man noch am selben Tag davon, dass über einigen Hauptstädten der Welt ein unerlaubtes Flugobjekt gesichtet worden sei, das zuerst einige Male stehenblieb und sich dann langsam wieder entfernte, fast so, als habe es nicht gewusst, was es machen sollte.
Das alles ist jetzt vier Wochen her. Haben sie schon etwas gemerkt?