Frühe Science Fiction, noch aus den Neunzigern, auf naive Weise nicht ohne Hinterhalt. Wurde später Teil der Barbiepuppen für Alpha Centauri.
Man beachte gleich zu Anfang die Reminiszenz an HiRes- und "Wie viele Farben gleichzeitig?"-Begeisterung der frühen Heimcomputer-Jahre. Was ist das heutige Äquivalent hierzu? Die sogenannten Gamer-PC's, die jedes Jahr von immer gefräßigeren Spielen an immer neue Grenzen getrieben werden? Oder verhaut man doch einfach nur jeden Tag ein paar Stunden in einer der Trillionen Rollenspiel-Welten?
Das Leben geht weiter!
Gleich nachdem Roger in seiner Verzweiflung versucht hatte, sich umzubringen, bewegte er sich schwerelos durch einen vollkommen gerundeten Tunnel, dessen Wände in tausenddreihundertsiebenundsechzig verschiedenen Graustufen schimmerten. Genau so hatte er sich den Weg zum Paradies immer vorgestellt.
Plötzlich war der Tunnel zu Ende, und Roger stand irgendwo auf einer sommerlichen Wiese. Die Wiese glich einem grünen Meer. Riesengroß und blumenlos erstreckte sie sich nach allen Seiten hin bis zum Horizont. Über ihr strahlte ein wolkenlos blauer Himmel. Roger überkam ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Alle seine Sorgen waren verflogen, und er begann, fröhlich lachend auf der Wiese umherzuspringen. Rogers Sprünge waren hoch wie Kirchtürme, er schien mit einem Mal federleicht zu sein.
Am Himmel tauchte ein quaderförmiges Zeichen auf. Es trug folgende Aufschrift:
"Wollen sie sich wirklich umbringen? Ja/Nein/Ich weiß nicht."
So wie er sich mittlerweile fühlte, wollte Roger keinen einzigen Gedanken mehr an Selbstmord verschwenden. Er deutete mit seinem Zeigefinger auf "Nein".
Jetzt landete er in einem großen Büro. Der Raum war bescheiden möbliert, ein großer Schreibtisch stand in der Mitte, davor ein Stuhl. Hinter dem Schreibtisch saß ein Mann mit freundlichem Gesicht. Er deutete auf die freie Sitzgelegenheit.
"Ich freue mich, sie zu sehen." sagte der Mann. "Nehmen sie doch bitte Platz."
Roger bedankte sich und setzte sich zögernd.
Der Mann holte einen dicken, animierten Papierakt aus einer Schublade, öffnete ihn und blätterte nachdenklich darin herum.
"Sie wollten sich also umbringen, Roger, ja."
Jetzt, aus der Distanz betrachtet, war Roger der Gedanke an seinen kläglichen Selbstmordversuch fast peinlich. Doch er bejahte die Frage.
"Warum wollten sie das, Roger? Die Geschäfte?"
Roger nickte.
"Meine Spedition..." sagte er langsam. "In letzter Zeit sind die Aufträge immer mehr ausgeblieben, wir haben gewaltig Schulden gemacht, ich mußte schon die halbe Belegschaft entlassen. Für einen Moment hab ich einfach keinen Ausweg mehr gesehen."
Er zog eine verlegene Grimasse. Der Mann nickte lächelnd mit dem Kopf. Er schien Rogers Situation zu verstehen.
"Was würde passieren, wenn sie jetzt pleite gingen, Roger?" fragte er sanft.
"Na, ich hätte kein Geld mehr," sagte Roger, "dazu die Strafe wegen der Steuern, und natürlich die irren Schulden des Betriebs..."
"Das ist alles, Roger?"
"Reicht ihnen das noch nicht?" fragte Roger zurück. "Ich wäre mein Leben lang verschuldet, ich könnte meine Standards nicht mehr halten, ich müßte mein Haus verscherbeln, meine Frau würde mich verlassen, mein ganzes Leben wäre eine Katastrophe, aber sonst wäre alles ja noch ganz in Ordnung!"
"Ja, aber sie könnten doch weiterarbeiten, Roger. Sie lieben ihre Arbeit doch?"
Das musste Roger zugeben
Der Mann stand auf und sah Roger eindringlich ins Gesicht.
"Als Privatperson, Roger," sagte er "sind sie nicht haftbar für ihre Firma. Die Firmenschulden fallen weg für sie. Haben sie das nicht gewußt?"
"Ja, aber..."
"Und wozu brauchen sie den ganzen Schnickschnack überhaupt, eigene Villa, dicker Schlitten, die ganzen Exklusiv-Konsumartikel?"
Roger wurde nachdenklich.
"Also jetzt, wo sie mich auf neutralem Boden fragen. Ich weiß nicht..."
"Mensch, sie sind doch ein Android!" schrie der Mann plötzlich, und sein Kopf schien anzuschwellen, bis er kurz vorm Zerplatzen war. "Denken sie doch mal rational!"
Roger war zusammengezuckt und starrte nun beschämt in den Boden, über dem einige animierte Staubkörnchen im Sonnenlicht tanzten. Er wußte nicht mehr, warum er sich vor der Verantwortung hatte drücken wollen. Er hatte seine Spedition selbst reingeritten. Er hatte selbst in die unzuverlässigen Flugtransporter investiert. Rational betrachtet war sein Selbstmordversuch einfach feige, war Flucht gewesen. Mit einem Mal überkam ihn eine unheimliche Wut auf sich selbst. Seine Miene wurde entschlossen.
"Okay." sagte er. "Ich will's nochmal wissen."
Der Mann lächelte ihn wieder an.
"Das freut mich für sie, Roger." sagte er. "Dann melden sie jetzt alles dem Finanzamt, ja?"
Roger nickte.
"Und das mit ihrer Frau regeln wir."
"Danke, sie sind sehr freundlich." sagte Roger.
"Das ist meine Aufgabe." sagte der Mann, noch einmal lächelnd.
Roger stand auf und gab dem Mann zum Abschied die Hand. Dann drehte er sich um und erwachte.
Er saß wieder hinter seinem Firmenschreibtisch. Er fühlte sich großartig. Ein Häuflein Erbrochenes lag dampfend auf einem Plastiktuch auf seiner Schreibunterlage. Anscheinend hatte sein Körper nichts von dem Gift resorbiert. Er wies Alois, seinen Putzautomaten an, den Schreibtisch sauberzumachen.
Während er dem alten Automaten bei der Arbeit zusah, verspürte er plötzlich den Wunsch in die große Verladehalle hinauszugehen, dorthin, wo in den letzten Wochen immer weniger Betrieb geherrscht hatte, wo seit Monaten die defekten, teuren Flugtransporter wie auf dem Friedhof lagen, weil sie nicht funktionierten.
Als er die Tür öffnete, liefen ihm sein Mechanikermeister, die beiden Reparaturautomaten und Robo mit dem lahmen Bein gerade entgegen.
"Ein Wunder, Chef!" riefen sie. "Die Transporter fliegen wieder!"
Und tatsächlich. Mit einem Mal hatten sich die Defekte, deren Ursache Roger trotz intensivster Forschung nicht hatte finden können, von selbst wieder aufgehoben. Die Flugtransporter brummten wie ein Schwarm Rennflieger.
Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Innerhalb der nächsten Stunden fand sich über ein Dutzend neuer Kunden ein, so daß Rogers Spedition bis zum Abend wieder mit hundert Prozent Auslastung lief. Auch das Bankhaus von der anderen Straßenseite, für das Roger in den letzten Monaten Luft gewesen war, wurde nun auf seine veränderte Geschäftslage aufmerksam und gewährte ihm noch am selben Tag einen neuen Kredit. Damit war die Liquidität der Firma für die nächsten drei Monate gesichert. Rogers Spedition war gerettet.
An diesem Tag schuftete Roger mit einer Lust, wie er sie seit seiner Zeit als Flugbursche nicht mehr verspürt hatte, es war wie der Aufbruch in eine neue, schönere Welt.
Als er um halb elf Uhr abends todmüde nach Hause kam, warteten seine Frau und die Kochautomatin noch mit dem Abendessen.
Roger hatte einen Bärenhunger und dementsprechend haute er rein. Seine Frau aß nur wenig, wie immer. Irgendwann, während er sich immer noch die Schnitzel reinschob, sah sie ihn ernsthaft an.
"Roger," sagte sie langsam, "solltest du einmal in finanziellen Schwierigkeiten stecken oder sollte die Firma pleite gehen oder solltest du gar die Villa verkaufen müssen und sollten wir in irgendeine schmutzige Wohnung umziehen müssen, du sollst nur wissen,... daß ich IMMER ZU DIR STEHEN werde."
Roger sah auf. Er hatte keine Ahnung, was hier ablief, er wußte nur, daß er sich zum ersten Mal seit mindestens tausend Jahren wieder so richtig glücklich fühlte.