Monk bei Nadia Boulanger: "Herr Monk, als Erstes: Sitzen sie gerade!"
Montag, 18. Oktober 2010
Monk bei Nadia Boulanger
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The Notiz
Monks Quartett auch körperlich auffällig
Monks Quartett auch körperlich auffällig. Monk selbst durch seine unvergleichlichen Waden, Charlie Rouse durch die gewaltigsten Fingernägel der Jazz-, der Musik-, vermutlich der Weltgeschichte. In mehr als einer Weise passend wäre hier auch Pavarotti gewesen, mit seinem über alle Maßen gewaltigen, wie aus einem Edward Lear-Cartoon gesprungenen Mund, dem einzigen Mund in den TATSÄCHLICH eine Geburtstagstorte auf einmal gepasst hätte. Doch zu früh schon war der Italiener für die Oper gewonnen, zu früh auch für Subversion nicht mehr zu haben...
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Erinnerung
Erinnerung
Wieder einmal mit dem Mountainbike durch den Wald, wie so oft. Es ist Sommer, Spätnachmittag, Insekten tanzen im Sonnenschein, das Spiel des Lichts auf dem Waldboden, die spürbare Kühle im Schatten unter den Bäumen. Fühle mich in Momenten wie schwerelos. Alles ist frisch, warm, alles Natur, unbeeinträchtigt scheinbar von der Moderne. Der Waldweg ist ungeteert, besteht aus blanker, vom Verkehr verdichteter Erde, die Pfützen des letzten Regens darauf sind aufgetrocknet. So könnte es hier auch schon vor einhundert oder zweihundert Jahren ausgesehen haben.
Gedanken an meinen Großvater. Er war ungefähr Siebzig bei meiner Geburt. Er hieß Willhelm-Kai, ganz wie sein Vater es gewollt hatte. Kai, so wie fast alle männlichen Erben im Stammbaum der Rosenstock-Bonos, Wilhelm wie Willem Zwo, Kaiser von Deutschland damals, ein Mann, dessen Anstrengungen dahin gingen, seinem Land die großartigste Flotte und einige der abwegigsten Kopfbedeckungen der Geschichte zu bescheren.
Das marine Element dem aerophilen voran zu stellen, Peter-Michael Kolbe und Poseidon vor Aurora und Evil Knevil, Überlieferungen und Traditionen gar zu berücksichtigen, das sind Dinge, die zur vorletzten Jahrhundertwende noch überlegenswert waren. Kevin oder Kai? Heute interessiert das kein Schwein mehr. Bestimmend allein sind in diesen unseren Tagen Gedankenlosigkeit, persönlicher Wahnsinn oder die Mode. Doch zugegeben: So viel anders wird es früher auch nicht gewesen sein.
Ich radle weiter. Jede offene Stunde in freier Natur bringt mich mir näher, jede abgesessene Stunde vorm Computer bei Google und Microsoft entfernt mich von mir.
Ein Buntspecht klopft gegen eine dürre Föhre:
TACK-A-TACK-A-TACK-A-TACK-A-TACK-A-TACK
Sich lediglich mit seinen Krallen an der Rinde festhaltend und davon abstoßend, schraubt der Specht sich in einer hopsenden Spiralbewegung den Stamm der Föhre hinauf. Einige Meter weiter oben hält er inne, sieht prüfend nach links und rechts und beginnt, von Neuem zu klopfen.
TACK-A-TACK-A-TACK-A-TACK-A-TACK-A-TACK
Woody Woodpecker, einer der größten Müllmänner der Cartoongeschichte.
Radle weiter. Es gab eine Zeit, da waren die Besitzungen meiner Familie ohne Zahl. Nur der Hauptzweig allerdings, dem der große Onkel vorstand, der in Wahrheit kein Onkel mehr war, sondern ein Cousin zweiten Grades zu meinem Urgroßvater. Dem Zweig, dem mein Großvater entsprang, ging es nie schlecht, er schwamm aber auch nie im Geld, am wenigsten nach dem Krieg. Heute, als magerer Rest, der die Wirren von Faschismus und Volksdiktatur überstanden hat, und in seiner Einfachheit beinah symbolisch zu nehmen, existiert im Stammland nur noch der inzwischen auf mich übergegangene, bescheidene mittelgroße Gutshof irgendwo im vorderen Niederbayern. Mein Großvater hat es nie ganz verwunden, den Familiensitz an der Ostsee mit dem Rosenstock-Pier und dem Bonoschen Strandbad durch den Krieg und die später folgende Enteignung verloren zu haben, auch wenn er dort nie mehr als ein geduldeter und für schrullig befundener Gast war. Mich, der ich es nicht anders kenne, berühren diese emotionalen Bande weit weniger. Ich fühle mich dem Meer kaum verbundener als dem Festland. Auf der anderen Seite wäre die Menschheit ohne das Meer undenkbar. Das Wasser ist unser Ursprung, das Land unser Lebensraum.
Die Gründe, warum uns nur dieses im Verhältnis bedeutungsarme Anwesen geblieben ist, betreffen Ereignisse, die sich Jahrzehnte vor meiner Geburt abgespielt haben. Ohne zu großen Groll sehe ich daher auf diese Verluste zurück. Zumal der große Onkel und seine unzählbaren nächsten Verwandten einen Großteil ihrer Herden ins Trockene gebracht haben. Die walten nun eben woanders. Es macht mir, da ich es nicht anders kenne, nichts aus. Und mein Ehrgeiz, mich den Geldtöpfen wieder anzunähern oder möglicherwiese erlittenes Unrecht wieder einzuklagen, geht gegen Null. Schließlich haben meine Leute, wo uns vor sechzig oder achtzig Jahren Unrecht getan wurde, vor hundert oder hundertzwanzig Jahren mitunter kaum weniger Unrecht getan.
Ich bin mir bewusst, dass dies eine Einstellung ist, um eher früher als später untergebuttert zu werden. Da eine ausgleichende und vermittelnde Lebensweise aber die einzige ist, für die ich in den letzten Jahren Energie aufbringen kann, habe ich keine Wahl. Zumal unser verbliebener Besitz für meine eigene kleine Familie ausreichend und (gesichertes Recht vorausgesetzt) vorläufig sicher ist.
Ich radle weiter. Repräsentanz ist keine Frage von zweieinhalbtausend Hektar. Es ist eine Frage der inneren Einstellung. Trotzdem ihn der verlorene Grundbesitz bis an sein Lebensende verfolgt hat, war das Leben meines Großvaters noch in heute nur noch zu bewundernder Weise von dieser Einstellung bestimmt.
Hinter einer Kurve taucht, nicht mehr zu weit entfernt, ein alter, nach oben hin offener Eicher-Traktor auf. Ein Großteil der früher mal hellblauen Lackierung des Fahrzeugs ist abgeblättert. An ihrer Stelle glänzt mattgrau das blanke Traktorenblech. Am Steuer des Eichers sitzt ein Bauer, der mir seit langem (ungefähr dreißig Jahren) bekannt ist. Zufällig ist der Hof des Mannes nämlich der unserem Anwesen östlich am zweitnächsten Gelegene. Der Landwirt ist klein, beleibt, kräftig, von der Feldarbeit tief gebräunt. Er schwitzt, trägt ein weißes Unterhemd, seine nassen, ergrauenden Locken liegen eng zurückgestrichen am Kopf. Er sieht mich nicht. Hinter ihm rollt und holpert, gezogen vom Eicher, sein alter braun-grüner Ladewagen, bis obenhin zu den Abdeckschnüren beladen mit frisch getrocknetem Heu.
Der Bauer kommt gerade vom "Heuen", wie es in unserem Landstrich heißt. Die Bedeutung des Wortes "Heuen" ist vielschichtig. Es bezeichnet nicht nur den Prozess der Luft- und Sonnentrocknung des gemähten Grases, sondern überschreibend auch alle damit verbundenen Arbeitsschritte sowie deren Summe, ebenso den Zeitraum der Trocknung.
Die Seitenwände seines Ladewagens bestehen romantischerweise aus Holz. Moderne Ladewagen, sofern diese bescheidene und vermutlich nicht optimal effiziente Erntemaschine überhaupt noch existiert, sind gänzlich aus Plastik und Blech hergestellt.
Wir kommen uns näher. Mein Nachbar sieht mich nur an, wie mit leerem Blick. Er scheint mich nicht zu bemerken. Dann, als ich ihn grüße, durchfährt es ihn plötzlich, und er grüßt, beinah enthusiastisch, mit einem heftigen Kopfnicken zurück. Ich passiere lachend den Traktor. Der Nachbar lacht zurück. Um ein Haar bleiben wir stehen, um einen Schwatz anzufangen. Dann erfasst mich plötzlich ein Geruchsmischmasch aus Diesel, Heu, Streu, Staub und Schweiß, und ich denke an Jock', unseren alten Knecht.
Ich war damals noch ein kleiner Junge. Jock's selten vollständig rasierte untere Gesichtshälfte wirkte immer so, als hätte er keine Zähne im Mund. Dabei verfügte er über einen sorgfältig gepflegten Ganzzahnersatz. Das wusste ich genau, weil ich ihm morgens, wann immer es ging, dabei zusah, wie er die beiden Gebissteile aus einem verkalkten Plastikbecher holte und sich gewissenhaft auf seine für mein kindliches Gemüt immer ein bisschen surreal wirkenden hellroten Kiefer setzte. Ein sprödes, handfestes Plastik wie dasjenige, aus dem dieser Gebissbecher war, kennt man heute schon zwanzig Jahre nicht mehr. Jedesmal, wenn ich Jock' tagsüber traf, machte er ein Rübe-Ab-Zeichen, indem er sich mit dem Zeigefinger waagrecht über den Hals fuhr. Ich fing auf dieses Zeichen hin immer wie entfesselt zu lachen an, ohne zu wissen, warum. Heute bin ich mir sicher, dass es die blanke Zuneigung war. Zu Jock' und zu allem, was mich umgab. Jock' fehlten vom Krieg her an der rechten Hand zwei Finger. Sein linker Daumennagel war völlig verwachsen. Er kam ums Leben, als meine Eltern mit uns Kindern gerade das erste Mal die Picos durchwanderten. Der Wurzelteller eines vom Winde geworfenen Baums war ihm bei der Waldarbeit auf den Rücken geklappt und hatte ihm das Genick abgedrückt. Damals wollte und konnte ich nicht glauben, dass Jock' plötzlich tot war, und verlor mehrmals die Fassung, als ich ihn in seiner Kammer aufgebahrt liegen sah. Mit ihm hatte etwas meinen Planeten verlassen, das ich bis heute nicht wiedergefunden habe. Sein Tod war ein erstes Zeichen für mich, dass nichts auf dieser Welt so blieb, wie es war.
Radle weiter. Die kühle Wärme des Abends dringt heute bis in mein Innerstes, in Momenten scheint mir die Abendsonne bis direkt ins Herz zu leuchten. Es ist ein Tag, wie ich ihn mir besser kaum wünschen kann.
Der Glaube an einen Fortschritt
Der Glaube an einen Fortschritt lässt einen die Dinge auf später verschieben.
Sonntag, 17. Oktober 2010
Olli P
Weitere Folge aus "Die Eroberung des Weltalls in 42 Trilliarden Teilen"
Folge 21 273 010 000:
Olli P steht allein auf dem Market Square des Raumschiffs Orion. Er ist wohl einer Verwechslung erlegen, hat gedacht, die Silvesterparty finde hier statt. Er weiß nicht, dass die Party der besseren Einschaltquote wegen nach Alpha Eins verlegt worden ist.
Bis vor zwanzig Minuten ist er noch so glücklich gewesen. Er hat so viel Vorfreude verspürt, dass er die letzten Stunden weder Interplanetradio gehört hat noch ferngesehen oder am Computer gezappt. Zum ersten Mal überhaupt in seinem Leben…
Nun steht er da, allein, im Blinken der Neonanzeigen. Zum ersten Mal in seinem Leben ist er nicht mit einem seiner besten Freunde zusammen, Basti oder Svenni, Olli Eins, Mirja, Mirjam, Sabrina und all den anderen. Er vermisst sie. Jeden einzelnen. Zum ersten Mal. Warum hat er Robbie nur daheimgelassen. Mit ihm könnte er jetzt wenigstens spielen.
Zum ersten Mal empfindet Olli so etwas wie Einsamkeit. Das Gefühl ist ihm nicht bekannt, und es ist unerträglich. Es treibt ihm die Tränen in die Augen, macht ihm Herz und Brust wund und schwer, lähmt überhaupt jedes Spaßempfinden in ihm. Plötzlich existiert nichts mehr, worauf er sich freuen könnte. Er ist einfach nur einsam.
Einige Minuten lang steht er bloß da. Dann zieht er seinen SuperStarGames-MegaAdvanced-Babyphaser, stellt die Strahlstärke auf Maximaldurchmesser, legt an und strahlt sich ein daumendickes Loch in den Schädel.
On the road
On the road
Ein Auto durchquert in rasendem Tempo eine weitläufige Landschaft irgendwo zwischen Linz und Wien. Birken- und nadelbewaldete Flecken ziehen vorüber. Der Blick des Fahrers ist auf die Fahrbahn fixiert. Gerade in diesem Moment steuert er aus einem Waldstück wieder heraus und schießt eine Senke hinab.
Der Mann lächelt kaum sichtbar. Er ist erfüllt von einer wohltuenden Empfindung der Sicherheit und der Zugehörigkeit, die dadurch zustande kommt, dass ihm eingefallen ist, mit welch unglaublicher Geschwindigkeit man heutzutage Länder und Landschaften durchqueren kann. Eine viertel Stunde Vollgas, und man befindet sich in einer völlig anderen Landschaft, eine Stunde weiter, und schon sprechen die Leute tschechisch oder man ist in Ungarn.
Zack zack geht es diesen Morgen. In Sekundenschnelle zieht der Wagen an einer Kette kriechender Lastwagen vorbei, in der Talmulde überholt er einen alten VW-Bus, der mit acht Rumänen an Bord und einem ganzen Hausstand auf dem Dach auf der Standspur dahinzockelt. Schon hat er die ganze weite Autobahn wieder für sich.
Er rauscht über eine Kuppe, und wieder geht es einen Hügel hinab, der in eine weite Ebene ausläuft. Kein einziges Auto bewegt sich dort unten, der eigene Wagen läuft fast wie von selbst. Rechts breitet sich eine neue Waldfläche, überall leuchten daraus die weißen Flecken der Birkenrinde hervor. Links ist wenig zu sehen, nicht mal ein Bach.
Die Gedanken des Fahrers schweifen langsam ab. Es ist eine Landschaft, die irgendwie überhaupt nichts zu bieten hat, denkt der Mann sich. Nur in der Ferne erhebt sich eine größere Ortschaft, in deren Mitte eine kleine unansehnliche Kirche steht. Beim Rest handelt es sich anscheinend um ein einziges Gewerbe- und Neubaugebiet.
Als der Mann sich der Straße wieder zuwendet, steht vor ihm, nur wenige Meter entfernt, fast direkt vor seiner Nase, ein ansehnlicher und kompakter Tanklaster. Er ist weiß, wirkt nicht gerade neu und scheint irgendeiner Behörde anzugehören. Auf der Unterseite des Tanks sind ein paar Rostflecken zu sehen, aus der Oberseite ragt eine flache, rechteckige Öffnung, aus der heraus es beständig dampft. Dem Mann wird nicht eindeutig klar, was der Laster eigentlich transportiert. Mit großer Wahrscheinlichkeit aber könnte es etwa Teer sein.
Während der Mann über alles das nachdenkt, bewegt sein Auto sich wie in Zeitlupe auf den Tankwagen zu. Die Zeit, um ausweichen zu können, ist längst schon vorbei.
Schon als der Laster mit noch unscharfer Silhouette in sein Sichtfeld eindrang, ist der Mann nur leicht zusammengezuckt. Sofort ist ihm klar gewesen, dass es nun aus sei, und wie hinter einer beschützenden Glaswand lässt er jetzt das weitere auf sich zukommen.
Sein Auto arbeitet sich knirschend und quietschend in die Rückseite des Lasters. Beeindruckt stellt der Mann fest, wie der Aufprall ihn hin- und herschüttelt, wie die eingedrückte Motorhaube und die zerberstende Frontscheibe näher und näher kommen.
Wie wenig sein schwacher Körper dieser unglaublichen Gewalt doch entgegenzusetzen hat! denkt der Mann sich. Wie ein Stück Fett oder Butter drückt es unten seine Schienbeine zur Seite. Als wäre da nichts, stößt das Lenkrad ihm in den Bauchraum. Aber zu welchen Empfindungen dieser Körper auch fähig ist!
Und auch dieses hat der Mann nicht geglaubt: Zu welchen Höhen des Schmerzes, zu welcher Umfassendheit der Wahrnehmung man gelangen kann, wie sehr man mit der Natur und seiner Umwelt verschmelzen kann. Wie sehr er noch mitbekommt, als ihm das Dach seines Autos den Kopf zerdrückt.
Eine Zeitlang stehen der Tankwagen und das Auto wie verlassen auf der Autobahn, dann folgen der VW-Bus und die Kette aus Lastern, die der Mann zuvor überholt hat, und kommen quietschend zum Stehen. Auch der Fahrer des Tankwagens kämpft sich jetzt aus seiner Kabine. Seine Stirn ist blutüberströmt.
Ratlos und etwas blass um die Nase umstehen die Menschen das Autowrack, in dessen Innerem aus winzigen Zwischenräumen der völlig entstellte Körper des Fahrers zu erkennen ist. Plötzlich ist aus dem langgezogenen Waldstück zur rechten Seite der Straße ferner rollender Donner zu vernehmen. Die Menschen sehen sich verdutzt an. Am Himmel ist keine Wolke zu sehen.
Nur einen Moment später blitzt der gesamte Horizont auf, und innerhalb eines einzigen Augenblicks werden die Bäume des Waldstücks zu Boden geknickt, wird die gesamte Landschaft zerstört, verwüstet, wie vom Erdboden ausradiert.
Freitag, 15. Oktober 2010
Zweck eines Songtextes
Zweck eines Songtextes – im Unterschied zum Lied: Man muss damit leben können
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