Samstag, 2. Oktober 2010

Allein gegen die Roboter



Allein gegen die Roboter


Die Szen' ist Pisa, eine Stadt in Mittelitalien, und Bud Spencer, der letzte Mensch auf Erden, presst sich gerade prustend und schnaufend gegen die Rückseite einer Leitplanke, auf deren anderer Seite in diesem Moment wieder einer Aufmärsche der idiotischen Roboterarmee stattfindet. Bud hat sich zur Tarnung einen riesigen Duschvorhang, der wohl einem Robotercape ähneln soll, um den Hals gebunden, auf seinem Kopf sitzt ein winziger Roboterhelm, den er mit Hilfe eines Halteriemens fest um sein dickes Kinn gezurrt hat.
Bud holt noch einmal tief Luft und dreht sich um. Langsam und gleichmäßig, so als säße sie auf einer Hebebühne, schiebt sich seine obere Gesichtshälfte hinter der Leitplanke nach oben. Aufmerksam verfolgen Buds Augen, wie und in welchem Tempo die schrulligen Blechheinis an ihm vorüberstolpern. Dann plötzlich scheint der richtige Moment gekommen, und er schnellt hoch.
"Uuuaah!" stöhnt er vor Anstrengung, rollt seinen massigen Körper mit erstaunlicher Wendigkeit über die Leitplanke und hechtet direkt in den Aufmarsch hinein.
>>Watsch!<<: Schon hat er dem ersten Roboter eins auf die Nuß gegeben.
>>Schepper!<<: Gerade als ihnen klar wird, dass Bud wie eine Dampfwalze auf sie zugerollt kommt, kriegen die beiden nächsten die Köpfe zusammengedonnert,.
Schnell haut Bud dem letzten Roboter in seiner Reihe noch die Rübe runter und verschwindet polternd im Straßengraben.
Inzwischen sind die vier Roboter in der nächsten Reihe auf den Eindringling aufmerksam geworden und haben angefangen, umständlich an ihren Kalaschnikows herumzufummeln.
Weil die Reihe hinter ihnen aber schon zu drängeln anfängt, wissen die vier Roboter jetzt überhaupt nicht mehr, was sie tun sollen. Von den nachrückenden Robotern geschubst und angeschoben, steigen und stolpern sie über ihre stöhnend am Boden liegenden Kameraden hinweg und marschieren schließlich, noch immer ziemlich konfus, wieder weiter. Nach einigen Metern dann sind sie schon wieder mit solchem Einsatz bei der Sache, dass sie völlig vergessen haben, warum sie vorhin eigentlich stehengeblieben sind.
Etwas unterhalb des Roboteraufmarschs keucht und schnaubt Bud währenddessen so leise er kann, und lehnt sich an die mit dürrem Gras bewachsene Straßenböschung. Erschöpft schließt er die Augen. Dann reißt er sie wieder auf und dreht sich panisch nach allen Seiten hin um. Doch es ist niemand zu sehen.
Er atmet durch und zieht behutsam ein zerknittertes Foto aus seiner Hosentasche. Das Bild zeigt die schöne Lorenza. Wieder und wieder starrt Bud wehmütig auf das Bild ein, bis er es schließlich mit tränenfeuchten Augen wieder zurücksteckt.
Kurz darauf sieht man Bud schon wieder, offenbar von Todesangst angetrieben, mit fliegenden Beinen und pfeifendem Atem über einen kurzen Brachflecken sprinten. Als wollte er sich damit beruhigen, keucht und brummt er dabei einige von Rosenstock-Bonos unsinnigen Abzählreimen vor sich hin:

"Sie ist eine Lady wie keine./
Bei uns hütet sie Schweine."

"Des Lebens Schwere verkannt./
An den nächsten Baum gerannt."

Da tritt ihm plötzlich ein Wachroboter in den Weg.
"UiUiUiUi!" macht Bud und legt eine Vollbremsung hin. Er kommt gerade noch vor den ausgestreckten Messern und Bajonetten des Roboters zum Stehen.
"Achtung, Personenkontrolle! Parole?" quäkt der Automat mit aufgerissenem Kiefer.
"Ich zieh dir gleich die Lauscher lang!" brummelt Bud in seinen Bart hinein.
"Parole inkorrekt!" gibt der Roboter zurück. "Bitte wiederholen sie!"
"Dann hau ich Dir eben die Rübe runter!" schlägt Bud jetzt vor.
"Parole inkorrekt!" versucht es der Roboter noch einmal, und schickt sich an, noch ein drittes Mal und wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit so zu fragen, doch Bud hat inzwischen die Geduld verloren, und zieht ihm derart eine über die Löffel, dass der Roboter abhebt, einen seitlichen Salto schlägt und scheppernd im Dreck landet.
Bud gibt sich nicht länger als notwendig mit dem Roboter ab. Sofort beschleunigt er wieder, bis er am Ende des Brachfleckens eine düstere, zwischen zwei mehrstöckigen Wohnblocks liegende Gasse erreicht. Es herrscht das nackte Chaos darin. Ausgebrannte Autos und Mopeds stehen herum, halbverweste Leichen hängen links und rechts aus den Fensterstöcken, der Boden ist mit Müll und Papierfetzen übersät.
Vorsichtig und indem er sich immer wieder nach allen Seiten hin umschaut, begibt sich Bud ins Dunkel der Gasse hinein. Leise hört man, wie er wieder, mit nun vor Angst und Erschöpfung zitternder Stimme, einige Abzählreime des dem Schwachsinn erlegenen Dichters zitiert:

"Wie und wo treffen wir wieder zusamm?/
Mit Sprengstoff, vor unseres Freundes Tram!"

"Null Chance/
gegen meinen Ehrgeiz hatte Abel Gance."

"Im Zweifelsfall/
zum Schaden von Hugo Ball."

"Da sie uns nicht erhört,/
wurde ihr Glück erfolgreich zerstört."

Er durchquert gerade die düsterste Stelle der Gasse, als er hinter einem Müllcontainer plötzlich eine Bewegung ausmacht.
Mit gemessenen Schritten tritt eine Handvoll Gestalten aus dem Zwielicht des Containers heraus. Es ist die Robotergang, mit der Bud heute schon ein paar Mal zu tun gehabt hat.
"Die schon wieder!" brummt er und walkt sich vor Ärger das Gesicht.
"Wen haben wir denn da? Den dicken Bud!" raunt der augenklappentragende Anführer der Gang mit spöttischem Lächeln, und seine drei Kumpels hinter ihm, ein italienischer, ein asiatischer und ein dicker Roboter mit Fahrradkette grinsen siegesgewiss und ein wenig schwachsinnig mit.
Bud erwidert die Blicke seiner Gegner ungerührt. Langsam ziehen sich seine Augenlider zu gefährlichen Schlitzen zusammen. Quietschend verkleinern auch die Roboter ihre Sichtöffnungen. Dann setzt Actionmusik ein, Bud spuckt sich noch schnell unternehmungslustig in die Hände, und schon rennt der Anführer mit seiner Eisenstange auf ihn zu. Mit perfektem Timing geht Bud einen Schritt zur Seite und gibt dem Augenklappentypen, der überrascht sein freies Auge aufreißt und nicht mehr rechtzeitig bremsen kann, noch eine auf den Hinterkopf hinterher.
Als Bud sich wieder umdreht, erwartet ihn schon der spindeldürre, zigarettenqualmende italienische Roboter. Wild gestikulierend fängt der Blechheini an, ihm Angst zu machen.
"Na komm schon, dicker Bud! Ich mach dich fertig! Ich mach dich platt wie ne Pizza!"
Der Italiener ist noch mitten im Gestikulieren und Sprücheklopfen begriffen, da kriegt er von Bud schon einen Dampfhammer auf den Schädel und klappt zusammen wie ein vom Magneten gelassener Schrotthaufen.
Jetzt surrt von rechts der asiatische Roboter heran.
"HAAIIIH!" macht der mit weit aufgerissenem Kiefer und fuchtelt mit seinen Klauen hin und her in der Luft herum. Nach ungefähr zwanzig Sekunden merkt er, dass Bud gar nicht mehr vor ihm steht, und erstarrt. Vorsichtig und mit blödem Gesichtsausdruck rollt er seine Augen nach links und nach rechts.
Bud hat sich inzwischen den Dicken mit der Fahrradkette vorgeknöpft, hält dessen Arm mühelos in der Schlagbewegung auf, entreißt ihm die Fahrradkette, schlingt sie um den Hals des Dicken, wirbelt ihn an der Kette wie ein Hammerwerfer im Kreis herum und mäht damit die anderen Drei, die gerade wieder heranstürmen, endgültig nieder.
Mit einem lauten >>KRÄSCH!!<< landet der Fahrradkettenroboter an der Hauswand und fällt in ein paar verschieden große durch die Gegend fliegende Teilstücke auseinander. Die drei anderen Roboter wälzen sich stöhnend am Boden.
Bud wischt sich die Hände an seinem dreckigen T-Shirt ab.
"Bah! Wird Zeit, dass die Müllabfuhr mal wieder zu streiken aufhört. Überall liegt hier der Abfall rum." meint er abschätzig und schiebt die Überreste der Roboter mit den Füßen aus dem Weg.
Als er das Ende der Gasse erreicht, klettert Bud hinter eine Mülltonne und klaubt Lorenzas Foto von Neuem aus seiner Hosentasche. Zärtlich betrachtet er es im Zwielicht von allen Seiten. Mit einem Stoßseufzer fasst er sich an den Schritt und fängt in süßer Erinnerung an, Michael Jacksons Moonwalk zu imitieren. Dann glaubt er plötzlich etwas gehört zu haben, duckt sich erschrocken, steckt das Foto wieder ein und rennt weiter.
Auch den Rest des Tages benötigt Bud noch für die Durchquerung der Stadt. Immer wieder zwingen ihn während dieser Zeit die unerwartet an allen möglichen Plätzen mit ihren Aufmärschen auftauchenden Robotertruppen, sich in Mülltonnen, in Straßengräben und hinter dahinwesenden Leichenbergen zu verstecken. Dazwischen begegnet er noch einige Male seinen speziellen Freunden von der Robotergang.
Irgendwann entdeckt er in einer verlassenen Trattoria auf einem Tisch noch eine unangetastete Portion verstaubter Spaghetti. Wie ein Tier stürzt Bud, der früher an guten Tagen schon mal fünfzehn Portionen Spaghetti am Tag verdrücken konnte, sich auf die Pasta und stopft sie gierig in sich hinein.
Endlich, bei Sonnenuntergang, hat er Lorenzas frühere Wohnstatt, ein niedliches Häuschen in der Vorstadt erreicht. Vor Erschöpfung kaum mehr zu sprechen fähig, blitzen ihm jetzt die albernen Verse Rosenstock-Bonos wie ein Leuchtfeuer durch den Kopf:

"Er fragte: Magst du mich noch?/
Ihre Gedanken waren nur noch ein Schwarzes Loch."


"Keiner liebt mich./
flüsterte er auf dem Zebrastrich./
Ein anderer schrie von fern,/
niemand habe ihn gern."

"Welch unendlicher Akt mit dem Früher zu brechen!
(Hinter sich hört er noch seine Oma sprechen.)"

"Auch Ursels Schweinekoben/
versperrte den Oligarchen/
den Ausblick von oben."

"Merkwürdig still geworden/
waren die Menschenhorden..."

Bud betätigt gerade die Türklingel des Häuschens, als er hinter sich das Zuschlagen einer Autotür hört. Er dreht sich um. In der gekiesten Auffahrt steht allein der Roboter mit der Augenklappe. Er bewegt sich einige Schritte auf Bud zu. Der Kopf hängt dem Automaten halb über die Schultern, als Ersatz für sein linkes Bein hat er sich ein zu kurzes Tischbein an den Rest seines Oberschenkels gebunden, der linke Arm, den er vorhin bei der Schlägerei hat lassen müssen, fehlt ihm völlig. Mit seinem übrigen rechten Arm hält er die Fahrradkette hoch und versucht Bud damit Angst zu machen. Dann aber geht ihm endgültig der Saft aus und er fliegt scheppernd ein letztes Mal in den Kies.
Bud schüttelt einsichtig den Kopf, so als hätte er schon immer gewusst, dass es einmal ein schlechtes Ende mit dem Typ nehmen würde. Er wendet sich wieder ab davon und drückt gegen die offenstehende und halb aus den Angeln gerissene Haustür.
Vorsichtig betritt er das Erdgeschoß, das den Eindruck erweckt, als wären wenigstens ein paar Handgranaten darin explodiert. Möbel und Unrat liegen wild durcheinander. Von Lorenza aber findet er keine Spur.
Er steigt die Treppe in den ersten Stock hoch. Auf den ersten Blick herrscht hier oben dasselbe Chaos wie im Erdgeschoß.
Dann entdeckt er, in einer Ecke sitzend, und an verschiedene Kabel und Versorgungsleitungen angeschlossen, einen leicht vermodert riechenden menschlichen Körper. An der wuchtigen Korallenkette, die um den Hals des Körpers hängt, erkennt er Lorenza. Die Kette trägt einen überdimensionalen Anhänger, auf dem in großen Strassbuchstaben steht: "LORENZA UND BUD".
Bud nähert sich dem Körper mit zögernden Schritten. Deutlich sichtbar zieht sich durch Lorenzas Stirn ein glatter, waagrechter Schnitt. Behutsam nimmt er ihr die Schädeldecke ab. In dem Schädelinneren kommen piepsend einige Roboterbabies zum Vorschein. Offenbar ernähren die Säuglinge sich von Lorenzas Gehirn. Als Bud die Babies erblickt, scheint in seinem Kopf ein Schalter sich umzulegen, und er verliert jegliche Selbstkontrolle. Wimmernd und stöhnend vor Ekel und Bestürzung rupft er sie aus Lorenzas Kopf heraus, schleudert sie auf den Boden und fängt an, auf ihnen herumzutrampeln.
Da zerfetzt ein gewaltiges Donnern die Luft. Links von Bud stürzt eine Wand ein, und in dem Raum dahinter, Lorenzas ehemaligem Schlafzimmer, stürmt surrend die Robotermama heran. Anscheinend hat sie die für Buds Ohren nicht wahrnehmbaren Schreie ihrer Kinder gehört und will ihnen zu Hilfe kommen. Wild entschlossen kickt sie die Mauertrümmer wie lumpiges Styropor zur Seite. Buds Versuch, dem Monstrum, das vier Köpfe größer ist als er, schnell eins über die Rübe zu geben, scheitert kläglich. Er kommt nicht mal richtig dazu auszuholen, da hat ihm die Robotermama mit ihren beiden vierzehnfingrigen Händen das Genick bereits in zwei Hälften zerteilt.
Sorgsam legt sie Buds massigen Körper, der für sie eine luxuriöse Brutstätte darstellt, neben den von Lorenza und kontrolliert, ob es den Babies in Lorenzas Bauchhöhle noch gut geht. Dann injiziert sie neue Keimzellen in die Gehirne der beiden Körper und die zu ihrem Entzücken ausgesprochen geräumige Bauchhöhle Buds.