Eine von mehreren kurzen Improvisationen, die es in die ursprüngliche Auswahl der “Variationen“ geschafft haben.
In einsamer Zukunft
Ein Skiläufer wandert allein dem Fuß eines gewaltigen Gebirgsmassivs entlang. Wie mag der Mann hierhergekommen sein? Niemand weiß es, auch er selber nicht. Und wieso liegt derart viel Schnee am Fuß des Gebirges, wo es doch heutzutage nur noch regnet auf dieser Höhe von, sagen wir, etwa vierzehnhundert Metern? Auch dieses ist nicht bekannt.
Der Mann jedenfalls genießt seine Wanderung in höchstem Maß. Die Sonne scheint, die Luft ist frisch und gut, und der Himmel erstrahlt in hellstem und tiefstem Blau. Es ist ein fantastischer Wintertag. Der Mann lacht auf und nimmt einen tiefen Atemzug. Die Zähne blinken dabei in seinem beinah bronzefarben gebräunten Antlitz.
Mit einer kaum sichtbaren Bewegung verlagert der Mann sein Gewicht auf die Skistöcke und setzt seine Wanderung in langsamem Tempo fort.
Ströme von Wasser fließen die Hänge herab, brechen sich am Fels, an Fichten, Kiefern und den knorrigen Latschenbäumen, vereinen sich weiter unten wieder, und rasen, geräuschvoll donnernd, auf einen Fluß zu, der in dem Walde liegt, auf den der Wanderer gerade zusteuert.
Bisher sind dem Mann all die Ströme nicht aufgefallen, doch jetzt, da sie sich ihm durch sein Näherkommen quasi aufdrängen, kommt ihm ein Computerspiel wieder in den Sinn, das er als Jugendlicher lange Zeit hatte programmieren wollen. Es sollte sich dabei immer um irgendeine Art zerstörerischer Ströme drehen, die einen Berg oder ein Gebirge herabflossen, und die mit einer Anzahl von Sprengladungen in möglichst menschen- und gebäudeschonende Bahnen gelenkt werden mussten. Dabei hätte es nicht um Punkte gehen sollen. Es hätte pro Spielstufe nur ein Entweder-Oder geben sollen. Er hatte die endlose Punktesammlerei in Computerspielen niemals verstanden, sie hatte ihn immer gelangweilt.
Der Mann überlegt kurz. Er hält die Idee immer noch für genial, auch wenn die Zeit der Computerspiele natürlich schon längst vorbei ist.
Noch einmal bewundert er die Landschaft. Wie die Ströme glitzernd und tosend durch die Felsen und Gewächse schießen, ist ein einzigartiger Anblick.
Dann kommt der Berg, kommt die ganze Region mit einem Mal in Bewegung. Das Gebirge hebt sich, beginnt, sich an zahllosen Stellen, während der Fels zerbirst oder sich in mächtige Schollen spaltet, auseinanderzufalten.
Diese Bewegung ist derart mächtig, so maßlos, dass jener einzelne Mensch dort unten im Schnee jede Rolle dabei verliert, und wo auch immer dieser Skiwanderer hergekommen sein mag, sein Tod ist gewiß, er wird zu einem Teil des Gebirges werden, wo seine Spur, zumindest vorläufig, sich verlieren wird.