Dienstag, 10. August 2010

Venus und Vulkan




Venus und Vulkan








Personen

Vulkan                       Feuergott, Gott des Schmiedehandwerks

Mars                           Kriegsgott, Gott der Gewalttätigkeit, des
Männlichkeitsrituals

Venus-Aphrodite      Göttin für Liebe und Schönheit

Ionkleus                     ein Zyklop











Die Szen' ist auf Volcano, einer Insel im Liparischen








Der Palast des Vulkan,
Venus' und Vulkans Schlafzimmer


Ein Doppelbett mit Baldachin. Vom Baldachin hängen Vorhänge, transparent möglichst. Sie verdecken das Bett.
Fern und leise zu hören, das Lärmen einer Schmiedewerkstatt, also Klingen von Metall, das Pumpen von Blasebälgen, usw. .

Auftritt IONKLEUS

IONKLEUS trägt auf den Armen unsichtbare Vorhänge. An seinem Gürtel hängt ein Walkie Talkie.

IONKLEUS    (verbeugt sich hastig) Sie haben wirklich Glück, dass sie da sind. Unglaubliches wird sich hier gleich abspielen, und viel müssen sie nicht wissen dazu, nur das:
                        Vulkan liebt die Venus, Venus liebt den Mars, und Mars liebt alles, was gut aussieht, weiblich ist und zwei Beine hat. Und Götter sind sie alle drei. Ach, und Venus ist Vulkans Frau.

IONKLEUS fängt an, die imaginären Vorhänge innerhalb der Baldachinvorhänge am Gestänge des Baldachins zu befestigen.

IONKLEUS   Vulkan liebt sie wirklich, müssen sie wissen. Bei den andern beiden weiß man's ja nicht so genau, aber Vulkan ist der Venus treu ergeben vom ersten Tag an, da kann man sagen, was man will.

VULKAN      (meldet sich in Ionkleus' Walkie Talkie) Achtung, Zielobjekt nähert sich mit raschem Tempo! Entfernung aktuell: 53 Meter. Wie sieht's aus im Schlafzimmer, Ionkleus?

IONKLEUS   (nimmt sein Walkie Talkie in die Hand) Alles klar bei mir, Vulkan, bin gleich fertig (steckt es wieder weg).

                        Bei der Venus ist das Ganze natürlich anders. Wenn sie als Göttin schon für die Romantik zuständig ist, dann muß sie sich auch entsprechend verhalten.
                        Na ja, ein bisschen liegt's sicher auch am Vulkan. Er hat nicht nur Qualitäten, wenn sie wissen, was ich meine.
                        Aber, bitteschön, was hat Romantik mit Treue und Beständigkeit zu tun. Allein schon deshalb hat Venus mit dem Mars was angefangen.

Lachen im Hintergrund

VULKAN      Achtung, Zielobjekt auf 33 Metern, 32, 31, halt, entfernt sich wieder, 32, 34, jetzt bleibt er stehen, na wartet, euch wenn ich -, setzt sich wieder in Bewegung, 32 Meter, 31…

IONKLEUS   Vulkan hat ohnehin lang gebraucht, bis er hinter die Sache gekommen ist. Eigentlich haben's alle vor ihm schon gewusst. Na ja, der Jüngste ist er ja auch nicht mehr.

VULKAN      Zielobjekt jetzt bei 26 Metern, trinkt Wein aus zwei Amphoren – die mir irgendwie bekannt vorkommen, he, verdammt, das sind ja meine Amphoren! Ich frage mich, wie die hierher gekommen sind. Na wartet, das wird alles ein Nachspiel haben!


IONKLEUS  Ich muss mich beeilen!
                        Aber versuchen sie mal, sich vorzustellen, wie's in Vulkans Innerem jetzt aussieht. Immerhin geben die Götter sich alles doppelt, Freud wie Leid. Die Lust will Ewigkeit, und so will's auch der Frust natürlich.
                        Na ja, was Vulkan im Moment will, ist vor allem Rache.

VULKAN      Heda, Ionkleus, red nicht rum! Sieh lieber zu, dass du fertig wirst. Zielobjekt bei zwanzig Metern, nimmt Tempo auf!

IONKLEUS hat den Vorhang befestigt.

IONKLEUS             So, fertig.
Ich hab's ihm auszureden versucht. Romantik und Sprunghaftigkeit sind Schwestern, treu im Geist und nicht zu trennen. Ein Gott in seinem Alter sollte das langsam wissen irgendwie. Aber auf dem Ohr ist Vulkan taub.
Dafür hat er jetzt das unsichtbare Netz geschmiedet, das ich hier grad aufgehängt hab. Auf die Art will er die beiden vor den andern Göttern bloßstellen.
                        Na ja, dass er sich nicht mehr dran hindern lässt, steht mal fest. (sieht sich um, wartet. Er nimmt sein Walkie Talkie in die Hand, will hineinsprechen)
Ich hab's oft genug versucht.

VULKAN      Achtung, sie kommen! Zehn, neun, acht,… (zählt durch bis Null)

IONKLEUS   Jetzt muss ich aber weg!
                        Ich such indes nur kurz das Weite,
und kehr' sogleich zurück, an Vulkans Seite.
          
IONKLEUS ab, Auftritt VENUS und MARS.

Die beiden stürzen auf die Bühne, schäkern und scherzen, tauschen ungestüm Zärtlichkeiten aus.

       VENUS   Ist er weg?

         MARS   Ich glaub  schon.

Sie klettern auf das Bett, verschwinden hinter den Vorhängen, fahren fort.

Auftritt VULKAN, IONKLEUS

VULKAN hinkend. Er trägt am Körper ein Walkie Talkie, in der Hand eine handliche Rotweinamphore.

IONKLEUS Willst du nicht doch noch mal drüber nachdenken, Vulkan? Ihr könntet die Sache doch irgendwie einfach normal regeln. Ich hab echt Befürchtungen, dass die Sache nach hinten losgeht.
                        Ich hab neulich einen Traum gehabt, ich will gar nicht drüber reden, wir standen wie die Deppen da...
                                                                     
   VULKAN   Glaubst du, die können mich zum Narren halten?!

IONKLEUS   Na, die nicht!

   VULKAN   Glauben wohl, ich merkte nichts!
            Nehmen an, ich wär dement, wär blöd, wär Opfer tück'scher Plaques und Kalkablagerungen in Ganglion und Hippocampus, meine Rezeptoren ausgebrannt, mein Frontallappen Kompott. Glauben, ich hätt ein Rotweinproblem. Ich, ein Gott!

       VENUS   Hast du das gehört?

MARS steckt den Kopf hervor.

       VENUS   Was ist los?

         MARS   Ach, laß ihn, der ist besoffen.
                    
VENUS, MARS wieder hinter den Vorhang.
VULKAN konzentriert, trinkt, zieht sein Walkie Talkie heraus, betätigt es in der Art einer Fernbedienung.

       VENUS   Laß mich. Ich kann nicht, wenn er zusieht dabei.

VENUS versucht, MARS aus dem Bett zu werfen.

         MARS   He, warte, ich komm nicht durch. Da ist was im Weg.

       VENUS   Was?

         MARS   Ich weiß nicht. Irgendein Netz. Ich komm nicht durch.

VENUS greift über MARS hinweg.

       VENUS   Das ist wie Metall. Wie ein Netz aus Eisen. Bloß anders. Das muß mein Mann gemacht haben. Dieser –


   VULKAN   (umkreist das Bett) Jaja – da schaun sie, was, die beiden?
                        Vulkan hat ein Netz gesponnen fein,
                        feiner noch als Seide aus Fernost,
                        und doch ist's prüfbar von metall'ner Konsistenz,
                        ein Faden, dessen Querschnitt
                        meßbar nur in Nanometern,
                        auf einer Legierung Fundament,
                        die niemandem bekannt bisher,
                        selbst Jupiter und den Giganten nicht.
                        Mit einem Wort:
                        Das Ding ist wieder einmal Vulkans Werk.
                        Entwickelt und entworfen hab ich's,
                        letztes Wochenende erst,
                        mit festem, jugendlichem Arm
                        und ohne Hülf' von anderer Seit!
                        Ihr habt geglaubt, ich wär dement, ja?
            Wär Opfer tück'scher Plaques und Kalkablagerungen?

                        Du wissest, Venus, Aphrodite, Liebesgöttin
                        (ein bessrer Nam fortan wär: Untreu-Göttin!),
            du wissest, Aphrodite,
meine Ohren waren offen stets
                        für alle Kümmernis von deiner Seit.
            du hattest Redefreiheit allezeit,
                        hattest wünschen, shoppen können, allezeit,
                        wieviel Schmuck, Geschmeid, Accessoires allein
                        hab ich verfertiget,
                        mit eh'rner Mannesfaust geschmiedet,
                        geformt, gewalzt, gepresst, gedengelt
                         mit festem, jugendlichem Arm
und ohne Hülf – von Ionkleus abgesehen,
der keine Hilfe ist.
                        Allein wie viel Halsketten?
                        Ionkleus, nachschauen!

IONKLEUS zieht ein Notizbuch hervor, sucht darin.

VULKAN      Siebzehnfuffzig? - Mehr? –
Ach, ich weiß es selbst nicht mehr!

IONKLEUS Also, ich würde sagen, eher zwei Mille als siebzehnfünfzig, Vulkan.
                    
   VULKAN   Und dieser Depp von einem Gott,
                        mit dem du deine Stunden teilst –
                        Gott des Krieges heißt man ihn –
                        er ist stolz drauf, nehm ich an.
                        Angenehm muß das Gefühl sein,
                        faul zu sein, und dann, wenn los es geht,
            des Gegners Stirn mit harter Stiefelspitze einzutreten.
                        Zuzutreten und zu schlagen, dass nichts mehr bleibt
                        als Terror, Trauer, Tränen,
                        Trauma, Tollheit, Todesqual,
                        Tyrannis und –Verwüstung!

            Es existieren Lehren, die pred'gen Maß, Zurückhaltung,
                        Einhaltung des allgemeinen Rechts.
                        An manchen Tagen ließ es sich zurückhalten,
                        nicht wahr, man müßte halt nur wollen,
                        nicht wahr, du Kriegergott,
                        du eines Esels, du eines Wasserbüffels Hinterteil!
                        In deinen Hintern treten könnt ich dir!
            Und ich Unglücksvogel schmied ihm auch noch
die Rüstung zusammen!

VULKAN hält inne, beginnt dann wieder von Neuem

   VULKAN   Bevor du kamst,
                        hat Venus mich geliebt, wir waren glücklich –
                        ein Paar,
                        girrend, kosend, Mann und Frau,
                        getraut vom Pfarrer auf Volcano.

         MARS   Ach du meine Güte, hört der denn nie auf!

   VULKAN   Aber wartet nur.
            Nichts, es sei denn Vulkan selbst,
löst euch aus diesem Netz raus.
                        Den besten Schmid auf Erden nennt man mich,
                        der Schmiede ersten General,
                        schreck auch vor Hi-Tech nicht zurück.
                        Und jetzt lass ich die Götter holen.
            So mach ich euch zum Spott-Grund des ganzen Olymps.
                        Ionkleus, die Götter!

IONKLEUS   –

   VULKAN   Hol die Götter!

IONKLEUS dienert, ab.

   VULKAN   Ja, kommt rüber, wie Galgenvögel fliegt, um teilzuhaben an diesem oberpeinlichsten aller Schauspiele!

       VENUS   Hörst du, was er machen will? Er ruft die Götter! Vulkan, bitte! Laß uns doch nochmal reden! Ich geh Eisenklopfen für dich. Ich grill dir Ziegenschenkel ab sofort, jeden Tag zum Frühstück! Ich mach auch Blutwurst, wenn du magst!

         MARS   (zündet sich eine Zigarette an) Ach, lass ihn. Was will er denn  machen. Jupiter hat mir Immunität zugesichert, solang er an Mathilda rankann. Irgendwann muß er uns wieder rauslassen.

       VENUS   Was?

         MARS   Ach, reg dich ab.

Auftritt IONKLEUS.

IONKLEUS wieder an Vulkans Seite.

Im Rückraum einige Lichter aufkommend, die Götter voll elysischer Fröhlichkeit. Gleichzeitig lauter werdend, Musik: Gerardo Frisinas Remix von Frank Hernandez' "Baby Chickens".

Die Götter sind angekommen.

   VULKAN   Ja-Ha, Augen auf, Kollegen!
                        Seht sie euch an, die beiden!
                        Unnötig zu sagen, wer:
                        Venus ist's, und Mars, der Schurk.
Fest im Glauben,
mich ohnbeobachtet zu hintergehen,
                        bestiegen sie mein Ehebett.
                        Ein Küssen hier, ein Zwicken da,
                        mehr zum Glück ist nicht passiert seither,
                        meinem Aug und meiner Wachsamkeit sei Dank,
hab ich doch aufgepaßt,
'nem Setter, einer Deutschen Dogge gleich,
                        dass die dinge hier nicht aus dem Ruder laufen.
Ja – ja, zu früh warf Licht ich
auf ihr Dunkel falscher Sicherheit,
                        aufgelauert hab ich ihnen,
                        Äonen schon laur' ich den beiden auf,
                        und jetzt, ja, ja, jetzt schaut ihr, was?
                        Ja, ja –
                        fünf Minuten zwölf sind sie schon drin jetzt...

                        Ist's nicht zum Lachen?
Ich könnt kotzen, so lächerlich ist das! Sie haben geglaubt, ich hätte nichts gemerkt, ich wär dement, wär blöd, wär Opfer tück'scher Plaques und Kalkablagerungen. Doch Äonen schon schau ich den beiden im Geheimen zu, hab Listen mir ausgedacht. Mit Erfolg, mit offenkundigem Erfolg. Na klar. Jeder Schwachköpfige sieht das. Man braucht nur nachzuschaun...
                        Ihr lacht wieder nur?...

Die Götter entfernen sich.
                    
         MARS Jetzt komm schon, Vulkan. Ihr habt euren Spaß gehabt. Wir sind bis jetzt ja nicht dazugekommen.
                        He, Winnetou! Lässt du uns jetzt langsam mal raus?

VULKAN zieht sich ins Abseits zurück.

Das Licht hinter dem Bett verändert sich.

   VULKAN   Kannt einst ein altes Mütterlein,
ohn' Zähn', fünf Haar' maximal auf'm Kopf,
buk täglich weichen Kuchen mir,
zu schonen meinen Magen, der reizbar und empfindlich worden,
gebar zween Söhne mir, Van und Kul,
nutzlos beide, Rocker der eine, Talkmaster der andre,
was will man mit solchen Nachkommen,
wie Beckenbauer brauch ich Söhn,  
werd Söhn ich zeugen,
bis einer meines Schlags die Erd mit Donnerschlag betritt,
ein Dribbelkünstler, Libero,
der Flanken schlägt von 120 Metern,
mit Bayern Meister wird…
                    
MARS unternimmt einen weiteren Versuch, aus dem Bett herauszukommen, und dieses Mal gelingt es ihm ohne Schwierigkeiten. Fertig angezogen tritt er heraus. Er hält VENUS die Hand hin. Auch diese tritt nun angezogen aus dem Bett heraus.
Rasch verlassen die beiden die Bühne, MARS zielstrebig, VENUS zögernder. Kurz sieht sie sich nach Vulkan um.
Auch MARS dreht sich noch einmal um.

         MARS   Arsch sagt der zu mir. Selber Arsch.

VULKAN wirft MARS seine Amphore hinterher.

Abdunkeln.

IONKLEUS beginnt, auf einer Blockflöte eine Weise zu spielen (Vorschlag: Stille Nacht).


Finis